Zwei Widersacher treffen sich auf ungewohntem Terrain

In Aachen konkurrieren Gesundheitsministerin Schmidt (SPD) und der Chef des Ärzteverbandes Marburger Bund, Henke (CDU), um das Bundestagsmandat.

Aachen. Ulla Schmidt und Rudolf Henke haben schon viele Kämpfe ausgefochten. Die Bundesgesundheitsministerin und der Chef des Klinikärzteverbandes Marburger Bund müssen sich schon von Amts wegen in den Haaren liegen - auf rein sachlicher Ebene, versteht sich. Seit einigen Wochen hat ihr Widerstreit aber eine ganz neue Qualität bekommen: Die SPD-Politikerin und der CDU-Mann konkurrieren bei der Bundestagswahl in Aachen um das Direktmandat.

Für Henke, seit 1995 Mitglied des NRW-Landtags, ist es die erste Kandidatur für den Bundestag. Schmidt dagegen gehört dem Parlament bereits seit 1990 an. Bei der letzten Bundestagswahl vor vier Jahren holte die Ministerin das Direktmandat mit einem Vorsprung von rund einem Prozent vor dem damaligen CDU-Kandidaten.

Dass Schmidt durch ihre Funktion als Bundesministerin und regelmäßige Auftritte im Fernsehen einen höheren Bekanntheitsgrad als der - auch nicht ganz unbekannte - Chef des Marburger Bundes hat, schreckt Henke nicht. Er wisse, dass Politik medial vermittelt werde und dass Schmidt da einen gewissen Vorsprung habe, sagt der 55-jährige Mediziner. Aber auch er sei kein Anfänger im Politikbetrieb und auch kein Unbekannter in Aachen. "Das ist nicht der typische David-gegen-Goliath"-Wahlkampf", sagt Rudolf Henke.

Einen Nachteil gegenüber Schmidt hat der CDU-Politiker aber sicherlich: Er steht auf der Liste der NRW-CDU für die Wahl auf Platz 41, Schmidt hat als prominente Bundespolitikerin auf der SPD-Liste dagegen den sicheren vierten Platz. Henke: "Ich muss das Direktmandat gewinnen, um in den Bundestag zu kommen."

Schmidt und Henke, die nach Angaben des Verbandschefs ein "ordentliches" persönliches Verhältnis haben, teilen die Eigenschaft, dass Gesundheitspolitik ihr ureigenstes Terrain ist. Im Aachener Wahlkampf dagegen werden beide Politiker zu Allroundern. Da geht es eben nicht nur um Gesundheitsfonds und Ärztehonorare, sondern auch um die Milchpreise und die Mehrwertsteuer.

Die 60-jährige Ministerin, die in Berlin arbeitet, dehnt im Wahlkampf noch einmal die Zeit aus, die sie in Aachen verbringt. Zahlreiche Termine stehen auf der Liste. Das reiche von Besuchen in Senioren- und Behindertenzentren bis hin zu Gesprächen über die Idee Schmidts, an einer Aachener Fachhochschule einen Pflegestudiengang einzurichten, berichtet Boris Linden, Leiter des Wahlkreisbüros von Ulla Schmidt. Für den 20. August sei eine Großveranstaltung mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) geplant, auf der Schmidt die erste große Wahlkampfrede halten wolle.

Henke hat im April Urlaub gemacht, um "einmal tief Luft zu holen" und merkt schon seit Frühjahr, dass sich sein Terminkalender deutlicher füllt als sonst. Henke besucht den örtlichen Pharma-Großhandel genauso wie die Stadionbaustelle des neuen Tivoli, diskutiert mit Apothekern, aber auch Gastwirten, und hat auch schon eine Kuh gemolken. "Das ist ein buntes Kaleidoskop an Themen."

Insgesamt ist der Bundestagswahlkampf aber noch entspannt in Aachen - auch weil am 30. August zunächst die Kommunalwahl stattfindet.

Dann aber beginnt für Schmidt und Henke eine sehr kurze heiße Wahlkampfphase bis zum 27. September, dem Tag der Entscheidung. Vorher wird es auch noch persönliche Aufeinandertreffen geben - unter anderem bei einer von einer örtlichen Zeitung veranstalteten Podiumsdiskussion am 17.September. Und man darf vermuten, dass es dann nicht nur um Milchpreise und Mehrwertsteuer geht - sondern ein bisschen auch um Gesundheitsfonds und Ärztehonorare.

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