Gesundheitsämter am Limit Zu viel Corona-Bürokratie in NRW - Meldeverfahren an das RKI zu aufwendig?

Düsseldorf · Die Gesundheitsämter kommen vielerorts nicht mehr bei den vielen Corona-Fällen hinterher. Landräte beklagen den hohen Aufwand durch das Meldeverfahren und fordern deshalb pragmatische Lösungen.

 Die Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher. Aus Sicht der Landräte ist das Meldeverfahren an das RKI zu aufwendig.

Die Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher. Aus Sicht der Landräte ist das Meldeverfahren an das RKI zu aufwendig.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Landkreise in Nordrhein-Westfalen fordern eine Entlastung der Gesundheitsämter vom aufwendigen Meldeverfahren der Corona-Neuinfektionen ans Robert-Koch-Institut (RKI). „Zentrale Aufgabe der Gesundheitsämter kann nicht die statistische Erfassung von Infektionsfällen sein“, erklärte der Präsident des Landkreistags NRW, der Landrat des Kreises Mettmann, Thomas Hendele (CDU), am Donnerstag. Angesichts der Omikron-Welle und der „gewaltigen Anzahl an täglichen Neuinfektionen“ gerieten die Gesundheitsämter immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen. „Wir brauchen von Bund und Land eine pragmatische Lösung, um den Meldeaufwand zu reduzieren“, mahnte er.

Derzeit seien landesweit Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Gesundheitsämter damit beschäftigt, jeden einzelnen positiv getesteten Corona-Fall aufwendig zu erfassen und für die statistische Erhebung zu übermitteln. Diese aufwendige Datenerhebung binde personelle Ressourcen, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden. „Die Aufgaben der Gesundheitsämter müssen stärker auf die aktive Pandemiebekämpfung, etwa auf den Schutz der vulnerablen Bevölkerungsgruppen vor Ort ausgerichtet werden“, forderte Hendele.

Zuvor hatte bereits der Landrat des Kreises Euskirchen, Markus Ramers (SPD), die Belastung der Gesundheitsämter durch eine überbordende Corona-Datenerhebung kritisiert. Weil zu viel Zeit für die Erfassung und Meldung von Testergebnissen aufgewendet werden müsse, bleibe zu wenig Zeit für die Beratung der Menschen und den Infektionsschutz, sagte er am Donnerstag im WDR5. So sei es derzeit schwer möglich, die Arbeit auf Pflegeeinrichtungen und Risikogruppen zu konzentrieren.

„Wenig Sinn macht es, wenn Mitarbeiter allein am Computer sitzen und mehrere Klicks durchführen müssen, um positive Schnelltests, die in gar keine Statistik einfließen, ans Land weiterzumelden“, sagte der SPD-Politiker. „Das ist für mich eine Beschäftigungstherapie.“ Die Systematik der Datenerfassung passe nicht mehr zum aktuellen Infektionsgeschehen mit stark steigenden Corona-Zahlen.

Auf Facebook hatte Ramers zuvor einen „Datenirrsinn“ beklagt. Das Gesundheitsamt werde zu einer „Außenstelle des Statistischen Landesamts“. Die Hälfte des Personals werde allein für die Verarbeitung der Daten eingesetzt, die an Land und Bund weitergemeldet werden müssten. Auch der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (CDU) hatte bereits das Fallzahlen-Management in der Pandemie kritisiert und von „Datenfriedhöfen“ gesprochen.

Angesichts der sprunghaft steigenden Zahlen von Neuinfektionen sieht auch das RKI nicht mehr die Messung jeder Infektion, sondern immer mehr die Krankheitslast im Fokus. Im jüngsten Wochenbericht hatte die Behörde geschrieben, für die aktuelle Lagebewertung stehe „nicht die Erfassung aller Infektionen durch SARS-CoV-2, sondern die Entwicklung der Anzahl und Schwere der Erkrankungen im Vordergrund“. Auch wenn nicht mehr jeder Einzelfall im Meldesystem erfasst werde, ermöglichten ergänzend zu Rate gezogene Schätzwerte „eine zuverlässige Einschätzung der Gesamtentwicklung der epidemiologischen Situation“ in Deutschland.

(dpa)
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