Flüchtlinge „Wir sind gefordert, aber nicht überfordert“

Allein bis Juni hat NRW so viele Flüchtlinge aufgenommen wie im gesamten Jahr 2014. Die Zahl wird sich wohl verdoppeln.

Flüchtlinge: „Wir sind gefordert, aber nicht überfordert“
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Düsseldorf. Hätte man ahnen können, dass die Zahl derjenigen, die in Nordrhein-Westfalen um Asyl bitten so rasant ansteigt, wie es seit Monaten der Fall ist? „Ja, die Situation war abzusehen“, behauptet der stellvertretende Chef der CDU-Landtagsfraktion Peter Biesenbach. Nein, das war sie nicht, findet hingegen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Unterstützt wird er in dieser Ansicht von Burkhard Schnieder, der vor kurzem überraschend die Geschäfte des Arnsberger Regierungspräsidenten Gerd Bollermann (SPD) übernommen hat. „Sämtliche Prognosen sind von der Realität mehrfach eingeholt worden“, sagt Schnieder. Am Freitag traf sich der Innenausschuss des Landtages deswegen zu einer Sondersitzung.

Schnieder, ehemals stellvertretender Chef des NRW-Verfassungsschutzes, leitet nun kommissarisch die Arnsberger Behörde, die landesweit für die Erstunterbringung und Verteilung von Asylbewerbern verantwortlich ist. Allein bis Juni dieses Jahres hat NRW 43 000 Menschen aufgenommen, bis Jahresende werden es geschätzt mehr als 100 000 sein. „Nordrhein-Westfalen wird damit in diesem Jahr mehr Flüchtlinge aufnehmen als ganz Frankreich“, sagt Jäger.

Ralf Jäger (SPD), Innenminister

Wobei das mit Schätzungen so eine Sache ist. „Wir wissen nicht, ob morgens fünf oder 15 Reisebusse mit Flüchtlingen vor unserer Tür stehen“, sagt Schnieder. Allein im Juni wurden im Land 9500 Asylsuchende aufgenommen, im Mai waren es nur 6700. Wobei die tatsächliche Zahl der Ankommenden nach Angaben des Innenministeriums um gut 40 Prozent höher liegt, weil auch Folgeantragsteller herkommen — und Menschen, die eigentlich in anderen Bundesländern untergebracht werden sollten.

„Wir sind gefordert, aber nicht überfordert“, sagt Jäger, der ankündigt, bis Jahresende die Zahl der Erstaufnahmeplätze von derzeit 1800 auf 3000 zu erhöhen. Vor allem um Zustände wie in Dortmund zu verhindern. Die dortige Erstaufnahme-Einrichtung war Anfang der Woche wegen starker Überbelegung vorübergehend geschlossen worden, die Neuankömmlinge mussten nach Hamm ausweichen. Erschwert wurde die Situation dadurch, dass acht NRW-Heime mit insgesamt 3100 Plätzen wegen des Ausbruchs von Windpocken gesperrt werden mussten.

Für die Opposition im Landtag sind das „unhaltbare Zustände“. „Die Flüchtlingsaufnahme steht vor dem Kollaps“, sagt Biesenbach und attestiert Rot-Grün „totales Organisationsversagen“. Die Piraten fordern Lösungen über die bloße Unterbringung hinaus: Der Regierung gehe es nur darum, Obdachlosigkeit zu vermeiden, kritisiert Fraktionssprecher Frank Herrmann.

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