Wikileaks: Wie geht es ohne Assange weiter?

Die Enthüllungsplattform bleibt handlungsfähig.

London. Julian Assange nannte sich einmal Herz und Seele von Wikileaks. Nachdem die britische Polizei den Australier am Dienstag festgenommen und vorerst aus dem Verkehr gezogen hat, stellt sich die Frage: Kann die Enthüllungsplattform ohne ihn weitermachen?

Seine Mitstreiter verkündeten sogleich per Twitter, auch ohne Assange weitere Depeschen zu veröffentlichen - und machten so deutlich, dass Wikileaks keine Ein-Mann-Organisation ist.

Ob ihr Chef auf seinen Posten als Oberaufklärer zurückkehrt, ist unklar. Er sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Die schwedische Justiz verfolgt ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung zweier Frauen.

Der Australier bestreitet alle Anschuldigungen. Sollte das Gericht Assange trotzdem verurteilen, dürfte seine Rückkehr an die Spitze von Wikileaks ausgeschlossen sein.

Assange selbst hält sich offenbar für unabkömmlich. Er bezeichnete sich als "Herz und Seele" der Organisation, als Gründer, Sprecher und Programmierer. So oder so, Wikileaks war und ist ein Projekt mit vielen, wenn auch zumeist unbekannten Aktivisten.

Einige hat Assange mit seiner selbstherrlichen Art aber vergrault. Unabhängig von Assanges Inhaftierung muss Wikileaks mit diesem Loch zurechtkommen. Hinzu kommt nun die Frage, ob die Organisation ohne ihren charismatischen, aber auch diktatorischen Chef bestehen kann - oder vielleicht sogar besser funktioniert.

Dass es weitergeht, hat die Organisation verkündet. "Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird unsere Arbeit nicht beeinträchtigen: Wir werden heute Abend mehr Depeschen veröffentlichen als üblich", hieß es. Und der Australier selbst hatte wenige Tage vor seiner Verhaftung gedroht: "Wenn uns etwas zustößt, werden die entscheidenden Teile (der US-Diplomaten-Akten) automatisch veröffentlicht."

Auch die technische Infrastruktur der Organisation ist von der Festnahme nicht beeinträchtigt. Finanziell steht Wikileaks ausgesprochen gut da. Denn die spektakulären Veröffentlichungen der vergangenen Monate haben den Machern Spenden in die Kassen gespült, die den Betrieb für mehr als ein Jahr ermöglichen sollten.

Die Turbulenzen um Wikileaks könnte allerdings ein Konkurrent nutzen: Schon Mitte Dezember will der frühere Sprecher Daniel Domscheit-Berg seine Vorstellungen einer ähnlichen Plattform der Öffentlichkeit präsentieren. Verantwortung und Macht sollten bei dem neuen Projekt "möglichst weit aufgeteilt" werden, sagte er.

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