Wem gehören Kohls Worte?

Nachdem 115 Zitate in einem Buch verboten wurden, geht der Prozess in die zweite Instanz.

Wem gehören Kohls Worte?
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Düsseldorf/Köln. Es gibt Zitate von Helmut Kohl, die darf man immer wieder verwenden. Formulierungen wie „In diesem unserem Lande“. Oder das Versprechen von den „blühenden Landschaften“. Oder: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Vor dem Oberlandesgericht Köln aber geht es am Dienstag um 115 dem Altkanzler zugeschriebene Äußerungen, die gerade nicht mehr gedruckt werden sollen. Das Landgericht Köln hatte die Zitate verboten, das Oberlandesgericht entscheidet über die Berufung. Da geht es um Sätze, in denen die Tischsitten von Angela Merkel thematisiert werden. Oder schlechte Charaktereigenschaften politischer Mitstreiter. Es geht um vernichtende Urteile über politische „Freunde“ und Widersacher.

Bevor die erste Instanz, das Landgericht Köln, im November 2014 zur rechtlichen Würdigung schritt und 115 Zitate verbot, führte es auf 44 Seiten die zum Großteil schonungslosen Äußerungen auf. Zitate, die dem Leser dieses Richterspruchs einen sehr tiefen Blick in die „Wertschätzung“ vermitteln, die Kohl offenbar für sein Umfeld übrig hatte. In der offiziellen Urteilsdatenbank NRW im Internet sind all diese Boshaftigkeiten herausgestrichen und ersetzt durch den schnöden Satz: „Es folgt eine Aufstellung der Zitate.“

Freilich haben die verbalen Faustschläge dennoch weite Verbreitung gefunden. Denn schon vor dem Urteil des Landgerichts Köln hatte der zur Verlagsgruppe Random House gehörende Heyne-Verlag 200 000 Exemplare des Buches „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ unters Volk gebracht. Hinzu kamen noch je 10 000 E-Books und Hörbücher. Zu einem Rückruf hatte das Landgericht Köln den Verlag nicht verpflichtet. Und so wird auch heute noch das Buch etwa über Online-Plattformen angeboten. Ungeschwärzt findet sich dort all das, was Kohl in langen Gesprächen von sich gegeben haben soll.

Ob das Oberlandesgericht Köln den Streit schon am Dienstag entscheidet, war am Montag noch offen. Ziel des Verlags und der beiden Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens: Die Zitate sollen wieder freigegeben werden. „Wir haben schon mehrere Tausend Vormerker“, sagt Rainer Dresen, Justiziar von Random House. Es würde dann eine weitere Druckauflage geben. Das will Helmut Kohl verhindern. Sein Anwalt Thomas Hermes hat darüber hinaus Ersatzforderungen angekündigt. Das Buch werde die Verfahrensgegner noch „sehr sehr teuer zu stehen kommen“.

Dresen lässt sich davon nicht beeindrucken. Der Jurist sieht ein öffentliches Interesse an den Zitaten. Das werde schon durch die hohe verkaufte Auflage des Buches bestätigt. Dieses Argument allein zieht noch nicht, das weiß auch er. Bloße Neugier rechtfertigt nicht jeden Blick durchs Schlüsselloch. Doch Dresen sieht das Interesse der Öffentlichkeit darin begründet, dass die Zitate geschichtlich und politisch ein Bild des langjährigen Kanzlers abrunden: „Wie war Kohl? Wie passen privates und öffentliches Bild zusammen? Wie hat er es in den langen Jahren seiner Kanzlerschaft und des CDU-Parteivorsitzes angestellt, dass alle so gekuscht haben? Wie hat er die Partei zusammengehalten?“ Darüber könnten die in den Zitaten zum Ausdruck kommenden Wesenszüge durchaus etwas aussagen. Die Gegenseite hingegen spricht von Diebstahl geistigen Eigentums und von moralisch unanständigem Handeln.

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