Was von der Revolution übrig blieb

Der Widerstand scheint gebrochen. Der Machtkampf innerhalb des Regimes dauert aber an.

Düsseldorf. Am Donnerstag zogen wieder Tränengasschwaden über die Teheraner Universität. In den Tagen zuvor waren über Internet und Telefon die Aufrufe zu einer Großdemonstration verbreitet worden, die an die blutige Niederschlagung der Studentenunruhen am 9. Juli 1999 erinnern und zugleich der Kampagne des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Hussein Mussawi gegen das offizielle Wahlergebnis neuen Schwung verleihen sollte.

Rund 250 Studenten waren dem Aufruf gefolgt, und sie waren leichte Opfer der in großer Zahl aufmarschierten Sicherheitskräfte, die den Protest in Minutenschnelle auseinander jagten.

Vier Wochen nach der umstrittenen Wahl scheint der Widerstand niedergeschlagen, die Repression triumphiert. Die Hoffnung auf den Umsturz sei eine Illusion des Westens gewesen, heißt es schon in Kommentaren, nun müsse eine härtere Gangart gegen das Regime eingeschlagen werden.

Was also ist geblieben von den wochenlangen Protesten gegen eine zweifelhafte Wahl? Der Glaube jedenfalls, die Macht der Straße werde die "Islamische Republik", dieses merkwürdige Gebilde aus vordemokratischer Theokratie und einzelnen demokratischen Elementen, hinwegfegen, war offenbar eher Wunschdenken denn realistische Einschätzung.

Wir sahen die Hunderttausenden, die gegen Ahmadinedschad auf die Straßen gingen. Dass gleichzeitig Hunderttausende für den umstrittenen Präsidenten demonstrierten, blendeten wir aus. Wir nahmen die Hauptstadt Teheran, wo Mussawi auch nach dem offiziellen Wahlergebnis vor Ahmadinedschad lag, für den gesamten Iran. Und wir nahmen die überwiegend jugendlichen und gebildeten Demonstranten für das gesamte Volk.

Die gewaltsame Unterdrückung der Proteste war sicher entscheidend für die Niederlage. Aber ebenso entscheidend war, dass alle Rufe der Opposition nach einem Generalstreik und nach Schließung des Basars ungehört blieben. Die Geschäfte blieben geöffnet, die Arbeiter in den Öl-Raffinerien gingen ihrer Arbeit nach. Es waren aber der Basar und die Massenstreiks der Arbeiterschaft, die die Revolution von 1979 zum Erfolg führten.

Hinzu kommt, dass die Opposition in sich gespalten war und ist. Ein Teil, und zu diesem zählt Mussawi selbst, wollte und will Reformen im bestehenden System. Ein anderer Teil, auch wenn er sich mit den grünen Farben Mussawis schmückte, wollte und will den Sturz des Regimes.

Dieser innere Widerspruch wurde verschärft, als sich im Westen plötzlich die Gespenster der Vergangenheit zum Wortführer der Revolte machten: In Washington bangte der Schah-Sohn schluchzend um "sein" Volk, die Volksmuhadschedin, die noch Tage vor der Wahl Mussawi als "Westentaschen-Khomeni" beschimpft hatten, erklärten sich zum Sachwalter des Protestes, und selbst Farah Diba fand sich plötzlich wieder in den politischen Seiten der Gazetten.

Gespalten wie die iranische Gesellschaft aber scheinen auch die Institutionen und Machtpfeiler des islamischen Regimes. Der Klerus steht zu weiten Teilen hinter Mussawi, die Autorität des "Revolutionsführers" Chamenei ist angeschlagen.

Der Amtseinführung Ahmadinedschads im Parlament blieb ein Großteil der Abgeordneten demonstrativ fern. Der mächtige "Pistazienmilliardär" Rafsandschani, der Mann hinter Mussawis Wahlkampagne und Chef des mächtigen "Expertenrats", laviert zwischen den Fronten. Während Mussawi bemüht ist, aus verschiedenen Reformgruppen eine schlagkräftige Opposition zu schmieden, denunzieren ihn radikal-konservative Zeitungen als "US-Agenten".

Früher hätte dies als politisches, wenn nicht sogar als tatsächliches Todesurteil gelten müssen. Doch in seiner jüngsten Regierungserklärung kündigte Ahmadinedschad eine "neue Ära der Kooperation" auch mit seinen innenpolitischen Gegnern an. Der Machtkampf innerhalb des Regimes scheint also auch nach Niederschlagung der Straßenproteste noch nicht entschieden.

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