Analyse Warum Minijobs trotz Mindestlohn Hochkonjunktur haben

Die Zahl der Minijobs hat fast wieder den Stand vor Einführung des Mindestlohns erreicht. Die Entwicklung muss aber differenziert betrachtet werden.

 Immer mehr Beschäftigte haben einen steuer- und abgabenfreien Minijob. (Symbolbild)

Immer mehr Beschäftigte haben einen steuer- und abgabenfreien Minijob. (Symbolbild)

Foto: Jan Woitas

Die Zahl der aus Sicht der Beschäftigten steuer- und abgabenfreien Minijobs ist mittlerweile wieder fast so hoch wie vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Der Grund: Immer mehr Beschäftigte haben zu ihrem Hauptjob zusätzlich noch einen Nebenjob.

Eigentlich war den Minijobs ein spürbarer Rückgang prophezeit worden, nachdem in Deutschland zum 1. Januar 2015 der Mindestlohn eingeführt wurde. Denn aus Sicht der Arbeitgeber ist diese Form der Beschäftigung dadurch weniger rentabel geworden. So müssen sie etwa die kompletten Sozialabgaben tragen, die wegen des Mindestlohns gestiegen sind. Anfangs war die „geringfügige Beschäftigung“, wie Fachleute sagen, auch tatsächlich im Sinkflug. Im Dezember 2014 gab es noch 7,67 Millionen Minijobber. Zwölf Monate später waren es nur noch 7,58 Millionen. Mittlerweile liegt die Gesamtzahl aber wieder fast auf Vor-Mindestlohn-Niveau. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gab es zum Ende des ersten Quartals 2018 gut 7,6 Millionen geringfügig Beschäftigte.

Die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke sieht darin einen Anlass zur Sorge. „Bei Minijobs werden keine ausreichenden Rentenanwartschaften gebildet.“ Daher müssten sie sozialversicherungspflichtig werden“, so die Sozialexpertin. Vorstellbar seien aber Ausnahmen etwa für Studenten und Rentner.

Der Wirtschaftsfachmann Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verwies gegenüber unserer Redaktion auf eine differenzierte Entwicklung. „Die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten sinkt nach wie vor. Gleichzeitig haben wir aber eine sehr deutliche Zunahme bei den Minijobbern, die noch eine weitere Beschäftigung haben.“

Gab es Ende 2014 etwa 2,5 Millionen Minijobber im Nebenerwerb, so waren es im März 2018 knapp 300.000 mehr. „Offenbar sind die Löhne im Haupterwerb für viele nicht ausreichend. Sonst würde man doch keinen Zweitjob machen“, vermutet Müller-Gemmeke. Für den IAB-Experten Weber ist das nur ein Teil der Wahrheit. Richtig sei, dass Nebenjobber im Hauptjob durchschnittlich weniger verdienten als die anderen. „Es ist aber nicht so, dass die Löhne immer weiter sinken. Derzeit steigen sie auf breiter Basis, auch im Niedriglohnbereich“, erklärte Weber. Was einen Minijob für viele Arbeitnehmer attraktiv mache, sei die Befreiung von Steuern und Sozialbeiträgen. Seit den Hartz-Reformen gilt: Egal, wie viel man im Hauptjob verdient, der erste Minijob im Nebenerwerb bleibt von Abgaben unberührt. „Und wenn man praktisch Brutto für Netto bekommen kann, dann machen das viele gern“, so Weber.

Nach den geltenden Bestimmungen können Minijobber den Beitrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung mit 3,6 Prozent ihres Verdienstes aufstocken. Auf Wunsch können sie das aber auch ablehnen. Früheren Abgaben zufolge lassen sich vier von fünf Minijobbern von eignen Rentenbeiträgen befreien.

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass unter den Beschäftigten mit mehreren Jobs viele Teilzeitarbeiter sind. Das eröffnet schon zeitlich mehr Raum, zusätzlich einen Minijob anzutreten. Dadurch sei auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten gesunken, die unfreiwillig verkürzt arbeiteten, erklärte der zuständige Fachmann am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Karl Benke. „Deshalb kann man auch nicht generell sagen, ob die hohe Zahl der Minijobs gut oder schlecht ist“, meinte Brenke.

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