Warum der Mindestlohn für die Rente nicht reicht

Wer sein Leben lang Vollzeit arbeitet und wenig verdient, ist im Alter von Armut bedroht. Die Solidarrente könnte ein Ausweg sein.

Warum der Mindestlohn für die Rente nicht reicht
Foto: klxm.de

Düsseldorf. Altersarmut! Welche Altersarmut? Im jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) heißt es, dass nur drei Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland auf Grundsicherung (früher: Sozialhilfe) angewiesen sind. Das bedeutet: 97 Prozent der Senioren kommen ohne staatliche Unterstützung klar. Andere Gruppen der Bevölkerung, insbesondere Alleinerziehende, sind erheblich häufiger von Armut betroffen.

Es gibt aber auch eine andere Sicht auf die Dinge. So weist der Paritätische Wohlfahrtsverband darauf hin, dass nicht wenige alte Menschen sich schämen, Geld vom Staat in Anspruch zu nehmen. Liegt das Einkommen unter 823 Euro im Monat, haben sie aber ein Recht auf Hilfe.

Außerdem rechnet der Verband mit anderen Zahlen. Demnach sind alle Personen arm, die in Haushalten leben, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. Bei den über 65-Jährigen führt dies schon jetzt zu einer Armutsquote von 14,4 Prozent.

Annelie Buntenbach, Rentenexpertin im DGB-Bundesvorstand

Wie immer auch gerechnet wird: Alle Experten sind sich einig, dass die Altersarmut in Deutschland zunehmen wird. Das liegt zum einen an einem stark gewachsenen Niedriglohnbereich und zum anderen an Erwerbsbiografien, die häufiger als früher unterbrochen werden. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wird in 20 Jahren jeder fünfte Neurentner auf die Hilfe des Staates angewiesen sein.

Daran ändert auch der 2015 in Deutschland eingeführte Mindestlohn nichts. Ein Blick auf die übrigen EU-Länder zeigt, dass es in vielen Staaten einen gesetzlichen Mindestlohn gibt (siehe Grafik). Deutschland rangiert mit 8,84 Euro im oberen Mittelfeld.

Wenn jemand 45 Jahre Vollzeit arbeitet und Mindestlohn verdient, reicht das aber noch nicht einmal aus, um eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu bekommen. Wie das Bundesarbeitsministerium auf eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Klaus Ernst von den Linken ermittelt hat, müsste der Stundenlohn 11,85 Euro betragen, um dieses Niveau zu erreichen. Anders gerechnet: Um mit dem Mindestlohn auf die Grundsicherung zu kommen, sind 60 Jahre Vollzeit-Arbeit notwendig.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Politik zum Handeln auf. „Wer jahrelang eingezahlt und wenig verdient hat, muss am Ende wenigstens so viel herausbekommen, dass er nicht zum Sozialamt muss“, sagt Annelie Buntenbach, Rentenexpertin im DGB-Bundesvorstand

Passend dazu hat Andrea Nahles das Rentenkonzept der SPD zur Bundestagswahl angelegt. Eine Anhebung des Mindestlohns spielt darin keine Rolle. Stattdessen soll das Rentenniveau (siehe Infokasten) auf dem derzeitigen Niveau von rund 48 Prozent eingefroren werden. Gleichzeitig möchten die Sozialdemokraten einen Anstieg der Beiträge zur Rentenversicherung auf maximal 22 (derzeit: 18,7) Prozent zulassen. Zudem soll die Regelaltersgrenze für die Rente nicht über 67 Jahre angehoben werden.

Laut Nahles führen diese Vorschläge bis 2030 zu Mehrkosten in Höhe von 78 Milliarden Euro. Diese sollen unter anderem ab 2028 durch einen Steuerzuschuss bezahlt werden. Dieser betrüge anfangs 14,5 Milliarden Euro und würde bis 2030 auf 15,3 Milliarden Euro klettern. Berechnungen über das Jahr 2030 hinaus macht die SPD nicht.

Für Geringverdiener will die Partei die Solidarrente durchsetzen, um Altersarmut und den Gang zum Sozialamt zu verhindern. Wer mindestens 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat und mit seinen Ansprüchen unter Grundsicherungsniveau liegt, soll eine Aufstockung auf bis zu zehn Prozent über Grundsicherung erhalten.

Die CDU hat in ihrem Wahlprogramm darauf verzichtet, konkrete Rentenpläne zu benennen. Bis zum Jahre 2030 gebe es keinen Handlungsbedarf. Für die Zeit danach will die Partei eine Kommission einsetzen, die Ende 2019 Ergebnisse vorstellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort