Wahlrecht: Union will auch bei Überhang-Mehrheit regieren

Der frühere Verfassungsrichter Mahrenholz hält einen Wahlsieg nur durch Überhangmandate für „illegitim“.

Berlin. Die Union will mit der FDP auch dann eine Koalition bilden, wenn eine Mehrheit nach der Bundestagswahl am Sonntag nur mit sogenannten Überhangmandaten möglich ist. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU, Foto) sagte, eine solche Regierung wäre weder politisch noch juristisch zu beanstanden. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wies die Einwände von SPD und Grünen zurück. Der Ex-Verfassungsrichter Ernst Mahrenholz hält eine Mehrheit allein auf der Basis von Überhangmandaten "für illegitim und moralisch angeknackst", wie er in der "Berliner Zeitung" sagte.

Die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit von Überhangmandaten ist in Gang, seit sich in den Umfragen der Vorsprung von Union und FDP vor SPD, Grünen und Linkspartei verringert hat. Wegen Überhangmandaten könnten dem schwarz-gelben Lager nach Meinung von Wahlrechts-Experten 44 bis 45 Prozent der Stimmen reichen, um im Bundestag eine Mehrheit zustande zu bringen. Nach Berechnungen des Fachdienstes election.de kann die Union derzeit mit sieben Überhangmandaten mehr rechnen als die SPD.

Solche Mandate kommen zustande, wenn eine Partei über die Erststimme mehr Sitze erobert als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zustünden. Das Wahlrecht muss wegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis Mitte 2011 geändert werden. Lammert rechtfertigte die Regelung.

"Der Eindruck, der von einzelnen Politikern und Teilen der Medien verbreitet wird, dass Überhangmandate verfassungswidrig seien, ist weder redlich noch überzeugend." Bei der Entscheidung des Gerichts im vergangenen Jahr sei es nur um einen Teilaspekt des Wahlrechts gegangen, betonte der Bundestagspräsident. "Überhangmandate sind kein Anknüpfungspunkt für irgendwelche Wahlanfechtungen."

CDU-Vize Koch sagte: "Wir streben keine Regierung auf Basis von Überhangmandaten an." Wenn es nur auf diese Weise zu einer schwarz-gelben Mehrheit käme, wäre aber auch dies "völlig legitim".

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