Wahlkampf: SPD-Kandidaten als Praktikanten

Vier Monate vor der Landtagswahl verordnet Hannelore Kraft einen Praxistest.

Düsseldorf. Vier Monate vor der Landtagswahl setzt die nordrhein-westfälische SPD auf neue Wahlkampfmethoden, um die schwarz-gelbe Landesregierung abzulösen. Unter dem Motto "Tatkraft" sollen in den kommenden Wochen sämtliche 130Kandidaten für Landtagswahlkreise für einen Tag in Betrieben oder sozialen Einrichtungen mitarbeiten. Den Anfang hat Spitzenkandidatin Hannelore Kraft bereits gemacht.

"Wir wollen uns erden und unsere Politik einem Realitäts- und Praxistest unterziehen", sagte Kraft am Donnerstag bei der Präsentation der Aktion. Sie selbst war schon in einer Duisburger Näherei, in der Hartz-IV-Empfängerinnen beschäftigt werden. "Das sind im Prinzip Zwei-Euro-Jobs", sagte die SPD-Landeschefin.

Dort habe sie schnell gelernt, welche Nöte die Bezieherinnen des ArbeitslosengeldsII haben, vor allem, wenn sie alleinerziehende Mütter sind. "Eine Frau wusste nicht, wie sie die Schuhe für ihr Kind bezahlen soll, weil das in einem Jahr drei neue Schuhgrößen hat. Da muss die Politik zu neuen Lösungen kommen. Von den Regelsätzen ist das nicht zu bezahlen", berichtete Kraft. Neun weitere Ein-Tages-Praktika von ihr unter anderem in Düsseldorf, Wuppertal und Mönchengladbach sollen folgen.

Auch SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger bekam bei seinem Einsatz in einer Duisburger Malerfirma einen Einblick in den Alltag der Arbeitswelt und insbesondere die Diskussion um die Rente mit 67: "Dort gibt es Kollegen, die 51 Berufsjahre haben, wenn sie 65 Jahre alt sind. Die darf man nicht noch länger die Leiter rauf und runter schicken."

Die Aktion "Tatkraft" belegt eins: Die SPD will ihren alten Markenkern als Arbeitnehmerpartei zurückgewinnen und dies nicht Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) überlassen. Bei der Wahl 2005 war der damalige Spitzenkandidat Peer Steinbrück in Arbeitersiedlungen kaum vermittelbar.

Was Kraft an den aktuellen Hartz-Gesetzen konkret ändern will, sagte sie nicht. Präziser wird sie dagegen bei den Vorschlägen zur Entlastung der Kommunen - das zweite Thema, das die SPD im Landtagswahlkampf groß spielen will. "Es muss eine Entlastung her bei den Unterbringungskosten für Hartz-IV-Bezieher, und natürlich muss das Land den hochverschuldeten Städten und Gemeinden helfen", so Kraft.

Kraft betonte Donnerstag ihren Regierungswillen und ihre Siegeszuversicht. Doch mit wem will sie regieren? "Die Linke in NRW ist weder koalitions- noch regierungsfähig", sagte sie und machte damit eigentlich die Tür zu für ein rot-rotes oder rot-rot-grünes Bündnis. Oder? "Derzeit ist die Linke nicht regierungsfähig", präzisierte Kraft. Und setzt auch auf die FDP: "Ich bin gespannt, was sich da tut." Denn auch die Liberalen lehnten wie sie eines vor der Wahl aus vollem Herzen ab: die "Ausschließeritis".

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