Stunde Null in Krefeld Verbotene Liebe in Polen

Ein Krefelder heiratet 1945 eine Polin und wird so vor der Roten Armee gerettet.

Krefeld. Dass die schlimmen Umstände des Zweiten Weltkriegs auch schöne Geschichten hervorbringen konnten, zeigt das Beispiel der Familie Janssen und einer deutsch-polnischen Hochzeit im Jahr 1945. Der Krefelder Carl Alfons Jansen arbeitete während der Kriegszeit in Warschau. Dort lernte er Helena Kacprzak kennen und lieben. Sie versteckte ihn 1945 vor der Roten Armee.

Stunde Null in Krefeld: Verbotene Liebe in Polen
Foto: privat

Seine Tochter Maria Janssen, die in Krefeld aufgewachsen und zur Marienschule gegangen ist, lebt heute als Dolmetscherin in Warschau mund hat uns die Geschichte ihrer Eltern übermittelt.

Mein Vater Carl Alfons Janssen, wurde am 10. Mai 1912 in Krefeld, Preussenring 97, als Sohn von Peter Wilhelm Janssen, Prokurist einer der großen Krefelder Textilfabriken, geboren. Während des Zweiten Weltkriegs — die Wehrmacht hatte ihn wegen Nachtblindheit vom Truppendienst freigestellt — war er bei Cast & Ehinger Niederlassungsleiter in Warschau. Dorthin war er von seiner Stuttgarter Firma entsandt worden. In Polen verliebte er sich in meine Mutter, die als Sekretärin arbeitete.

Meine Mutter Helena Janssen, geborene Kacprzak, hatte in Warschau im Jahre 1942 Juden gerettet und trug Anfang 1945 auch maßgeblich zur Rettung meines Vaters bei, der überhaupt kein Polnisch konnte und ohne ihre Hilfe verloren gewesen und zumindest in Sibirien gelandet wäre.

Sie bugsierte ihn als ihren angeblich taubstummen Bruder in die Umgebung von Wloclawek, wo unsere aus der freien Bauernschaft stammenden Verwandten heimisch waren. Vater fand in den Jahren 1945 bis 1957 — obwohl er weiterhin Reichsdeutscher blieb — in Wloclawek eine freundliche Aufnahme.

Im Jahre 1945 war er kurzfristig in der Strafvollzugsanstalt Mielecin bei Wloclawek interniert, von wo aus er tagtäglich verzweifelte Briefe an meine Mutter schrieb, dass er sich, wenn sie ihn nicht heirate, erhängen würde. Das Gefängnispersonal las diese Briefe und wandte sich an meine Mutter, sie möge bitte den Herrn Janssen, der doch so ein anständiger Mensch sei und Vielen geholfen habe, heiraten und ihn nicht ins Unglück treiben.

Meine Eltern heirateten am 12. November 1945 in Wloclawek. Vater wurde anschließend auch von seiner aus einer alten polnischen Bauernfamilie stammenden künftigen Schwiegermutter akzeptiert, in deren Bauernhof er freundlicherweise für ein paar Wochen zur Zwangsarbeit eingewiesen wurde.

Marianna Kacprzak akzeptierte ihn, obwohl ihr Ehemann Stanislaw und Sohn Jozef samt vielen anderen Bauern aus demselben und benachbarten Dorf 1940 vom Sondergericht Leslau zu Tode verurteilt und 1941 hingerichtet worden waren und die gesamte dortige Bauernschaft — außer den Volksdeutschen — von ihren Höfen vertrieben wurde, um Bessarabien- bzw. Wolgadeutschen Platz zu machen.

Dank seiner gewinnenden Lebensart und des in Kujawien ausgeprägten liberalen Menschenschlags hatte Vater dort keinerlei Probleme, im Gegenteil, er war dort sehr beliebt. Er arbeitete bis 1957 in Wloclawek, von 1949 an als Buchhalter bei Kujawskie Zaklady Koncentratow Spozywczych, vordem Bohm, heute Delecta.

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