Rede bei UN-Vollversammlung Scholz wirft Putin „blanken Imperialismus“ vor

Die erste Rede von Olaf Scholz vor den Vereinten Nationen hat vor allem einen Adressaten: Wladimir Putin. Der Kanzler prangert russischen Imperialismus an und fordert die Ahndung von Kriegsverbrechen: „Die Mörder werden wir zur Rechenschaft ziehen.“

 New York: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), geht in Begleitung von Regierungssprecher Steffen Hebestreit (SPD, r) und Bodyguards durch die Straßen von Manhattan während seines Aufenthalts in New York zur Generaldebatte bei der 77. Vollversammlung der UN.

New York: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), geht in Begleitung von Regierungssprecher Steffen Hebestreit (SPD, r) und Bodyguards durch die Straßen von Manhattan während seines Aufenthalts in New York zur Generaldebatte bei der 77. Vollversammlung der UN.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland vor den Vereinten Nationen „blanken Imperialismus“ vorgeworfen und der Ukraine weitere Unterstützung auch mit Waffen zugesichert. „Putin wird seinen Krieg und seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkennt: Er kann diesen Krieg nicht gewinnen“, sagte Scholz am Dienstagabend (Ortszeit) laut vorab veröffentlichtem Redetext vor der UN-Vollversammlung in New York. „Er zerstört dadurch nicht nur die Ukraine, er ruiniert auch sein eigenes Land.“

Bereits vor der Rede hatte Scholz Russland attackiert und die in drei ukrainischen Regionen von Separatisten geplanten Abstimmungen über einen Beitritt zu Russland für völkerrechtswidrig erklärt. Es sei „ganz, ganz klar, dass diese Scheinreferenden nicht akzeptiert werden können, dass sie nicht gedeckt sind vom Völkerrecht und von den Verständigungen, die die Weltgemeinschaft gefunden hat“, sagte Scholz. „Das ist alles nur der Versuch einer imperialistischen Aggression, die dadurch verbrämt werden soll.“

Scholz fordert harte Ahndung von Kriegsverbrechen

In seiner ersten Rede vor den Vereinten Nationen machte sich Scholz auch für eine harte Ahndung russischer Kriegsverbrechen stark. „Hinsehen und handeln müssen wir, wenn Russland in Mariupol, Butscha oder Irpin Kriegsverbrechen begeht. Die Mörder werden wir zur Rechenschaft ziehen.“ Deutschland unterstütze den Internationalen Strafgerichtshof und die vom Menschenrechtsrat eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission dabei mit aller Kraft.

Scholz bekräftigte, dass ein russischer „Diktatfrieden“ für ihn nicht akzeptabel sei. Die Ukraine müsse in der Lage sein, Russlands Überfall abwehren zu können. „Wir unterstützen die Ukraine dabei mit aller Kraft: finanziell, wirtschaftlich, humanitär und auch mit Waffen.“ Kurz vor der Abreise des Kanzlers nach New York hatte die Bundesregierung weitere Waffen aus Bundeswehrbeständen zugesagt, darunter vier schwere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000.

Für das Agieren Russlands gebe es nur ein Wort, sagte der Kanzler laut Redemanuskript: „Das ist blanker Imperialismus.“ Diese Rückkehr des Imperialismus sei nicht nur ein Desaster für Europa, sondern auch für die globale Friedensordnung. „Deshalb war es so wichtig, dass 141 Staaten den russischen Eroberungskrieg hier in diesem Saal eindeutig verurteilt haben.“ Im März hatten 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten für eine entsprechende Resolution gestimmt. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt - China und Indien - enthielten sich allerdings.

Mahnung an China: UN-Empfehlungen zu Uiguren umsetzen

Der Kanzler betonte, wie wichtig es für Deutschland sei, Menschenrechte „überall und jederzeit zu achten und zu verteidigen“. In diesem Zusammenhang hatte er auch eine Botschaft für China parat. Er forderte Peking auf, die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsbüros zur Lage der Uiguren in Xinjiang umzusetzen. „Das wäre ein Zeichen von Souveränität und Stärke. Und ein Garant für Veränderung zum Besseren“, sagte er laut Manuskript.

Anfang September hatte das UN-Menschenrechtsbüro Anzeichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang beschrieben. Die Regierung in Peking reagierte mit Empörung auf die Veröffentlichung. In Xinjiang gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten. Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft.

Bewerbung um ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erneuert

Scholz appellierte in seiner Rede eindringlich an die Weltgemeinschaft, die UN-Charta - das Regelwerk der Vereinten Nationen - zu schützen. „Diese Charta ist unsere kollektive Absage an eine regellose Welt.“

Der Kanzler forderte aber auch institutionelle Reformen und erneuerte die deutsche Bewerbung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Deutschland sei bereit, größere Verantwortung zu übernehmen – zunächst als eines der zehn wechselnden Mitglieder in den Jahren 2027 und 2028, perspektivisch aber auch als ständiges Mitglied, sagte er laut Redetext. „Ich bitte Sie, unsere Kandidatur zu unterstützen – die Kandidatur eines Landes, das die Prinzipien der Vereinten Nationen achtet, das Zusammenarbeit anbietet und sucht.“

„Wir müssen unsere Regeln und Institutionen anpassen“

Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen und für Konfliktlösung und Friedenssicherung zuständig. Ihm gehören 15 der 193 UN-Mitgliedstaaten an. Fünf Atommächte sind ständig dabei und haben Vetorecht bei allen Entscheidungen: die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Einige der anderen 188 Mitgliedstaaten wechseln sich auf den anderen zehn Sitzen alle zwei Jahre ab. Deutschland bewirbt sich alle acht Jahre dafür.

Seit Jahren gilt das Gremium wegen gegenseitiger Blockaden der USA, Chinas und Russlands in zentralen Fragen als weitgehend handlungsunfähig. Und seit Jahrzehnten wird über eine grundlegende Reform des Sicherheitsrats diskutiert, ohne dass es Fortschritte gibt. „Wir müssen unsere Regeln und Institutionen anpassen an die Realität des 21. Jahrhunderts“, forderte Scholz laut Redemanuskript. „Viel zu oft spiegeln sie die Welt von vor 30, 50 oder 70 Jahren. Das gilt auch für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.“

(dpa)
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