Ukraine-Krieg Angriff auf Kunstschule in Mariupol - Weitere Tote

Kiew/Moskau · Russland will erneut eine Hyperschall-Rakete gegen die Ukraine eingesetzt haben. Von dort kommen weiter Berichte über Angriffe und Tote. Präsident Selenskyj spricht von regelrechten Leichenbergen der feindlichen Armee - und verbietet prorussischen Parteien die Arbeit.

 Ein Luftbild von Mariupol nach den russischen Bombenangriffen.

Ein Luftbild von Mariupol nach den russischen Bombenangriffen.

Foto: dpa/Uncredited

Die Kämpfe in der Ukraine sind auch am 25. Tag des russischen Angriffskrieges gegen das Nachbarland weitergegangen. Russland berichtete erneut vom Einsatz einer Hyperschall-Rakete, die ukrainische Seite sprach wieder von Angriffen auf verschiedene Städte und auch Toten in der Nacht auf Sonntag. Vor allem die Lage in der Hafenstadt Mariupol bleibt katastrophal, nach Angaben des Stadtrats wurde dort eine Kunstschule Ziel eines Bombenangriffs. 400 Menschen hätten dort Schutz gesucht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland. Es häuften sich die Leichen russischer Soldaten, sagte er in einer Videobotschaft. Die Regierung in Kiew holte zum Schlag gegen prorussische Parteien im Land aus. In Deutschland nimmt unterdessen die Diskussion um den Umgang mit den Kriegsflüchtlingen an Fahrt auf.

Arbeit prorussischer Parteien in der Ukraine vorerst verboten

Selenskyj teilte in der Nacht per Videobotschaft mit, dass der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat die Arbeit einer Reihe von prorussischen Parteien für die Dauer des Kriegs im Land verboten habe. „Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten“, wurde Selenskyj von der „Ukrajinska Prawda“ zitiert. Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die „Oppositionsplattform für das Leben“ und der „Oppositionsblock“, die auch im Parlament vertreten sind. Sie gelten ebenso wie die übrigen neun nunmehr verbotenen außerparlamentarischen Parteien als euroskeptisch, antiliberal oder als prorussisch.

Russland: Erneut Hyperschall-Rakete eingesetzt

Das russische Militär setzte eigenen Angaben nach abermals die Hyperschall-Rakete „Kinschal“ (Dolch) ein. Ein Treibstofflager im Süden der Ukraine wurde demnach getroffen. Der Militärstützpunkt im Gebiet Mykolajiw sei aus dem Luftraum über der von Russland annektierten Halbinsel Krim angegriffen worden, sagte Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, in Moskau. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Am Samstag hatte Russland das erste Mal seit Beginn des Krieges über den Einsatz seiner neuen ballistischen Luft-Boden-Rakete „Kinschal“ berichtet.

Ukraine: Weiter Angriffe in mehreren Städten - Tote

Beim Beschuss eines mehrstöckigen Wohnhauses in Charkiw im Osten gab es ukrainischen Angaben zufolge Todesopfer - darunter sei ein neun Jahre alter Junge. In der Nacht zu Sonntag habe es mehrere Angriffe gegeben. Gebäude seien dabei in Brand geraten, teilte das Militär mit. Die Armee sprach von mindestens zwei Todesopfern, der Vize-Polizeichef des Gebiets Charkiw, Wjatscheslaw Markow, bei Facebook von fünf. Diese Zahl wurde auch im ukrainischen Fernsehen genannt. Angaben zu Opferzahlen und zu Angriffen in der Ukraine ließen sich auch am Sonntag nicht unabhängig überprüfen.

Den Behörden der Stadt zufolge sind seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vor mehr als drei Wochen allein in Charkiw 266 Zivilisten getötet worden.

Zu möglichen Opfern beim Angriff auf die Kunstschule in Mariupol wurden zunächst keine Angaben gemacht. Unter den Menschen, die in dem Gebäude Schutz gesucht hatten, waren laut dem Stadtrat Frauen, Kinder und Ältere. Das Gebäude sei bei dem Angriff am Samstag zerstört worden, hieß es bei Telegram. „Menschen liegen noch immer unter den Trümmern.“ Der Stadtrat machte russische Truppen für den Angriff verantwortlich.

Nach einem Raketenangriff auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben. Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die „Ukrajinska Prawda“. Auch um die nordukrainische Stadt Tschernihiw gibt es nach Militärangaben aus Kiew weiter schwere Gefechte.

Um Kiew, Charkiw und Mariupol wurden sieben humanitäre Korridore für flüchtende Zivilisten eingerichtet. Über die Wege sollten auch Hilfsgüter in die Städte gebracht werden, teilte die ukrainische Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk mit.

Selenskyj: Berge von Leichen russischer Soldaten

Mit martialischen Worten über schwere russische Kriegsverluste richtete sich Selenskyj in seiner Videobotschaft an die Bevölkerung Russland. „An den Brennpunkten besonders schwerer Kämpfe sind unsere vordersten Abwehrlinien mit Leichen russischer Soldaten praktisch überhäuft. (...) Und diese Leichen, diese Körper werden von niemandem geborgen.“ Er könne verstehen, das Russland über schier endlose Reserven an Soldaten und Militärgerät verfüge. „Aber ich möchte von den Bürgern Russlands wissen: Was hat man mit Ihnen in diesen Jahren getan, dass Sie Ihre Verluste nicht bemerkt haben?“. Schon jetzt seien mehr als 14 000 russische Soldaten getötet worden. Auch diese Angaben lassen sich nicht überprüfen.

Amt für Strahlenschutz sieht weiterhin „ernste Lage“ in Ukraine

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Deutschland beobachtet die Entwicklung um die ukrainischen Atomkraftwerke nach eigenen Angaben weiter sehr genau. Die Lage sei nach wie vor ernst, sagte BfS-Präsidentin Inge Paulini der dpa. „Es ist in keinster Weise vorgesehen, dass sich um ein Atomkraftwerk herum Kriegshandlungen abspielen.“ Schon mehrfach gab es seit Kriegsbeginn Vorfälle im Zusammenhang mit ukrainischen AKW.

Bisher fast 220 000 Geflüchtete aus Ukraine festgestellt

Hierzulande sind seit Kriegsbeginn 218 301 Kriegsflüchtlinge von der Bundespolizei festgestellt worden, wie das Innenministerium am Sonntag mitteilte. Da es im Regelfall keine festen Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen gibt, werden nicht alle Kriegsflüchtlinge erfasst. Die tatsächliche Zahl der Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland angekommen ist, dürfte daher höher sein.

Die Verteilung der Kriegsflüchtlinge funktioniert aus Sicht des Deutschen Städtetages noch immer nicht richtig. Städte, die zuletzt nach dem russischen Angriff sehr viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hätten, brauchten dringend Entlastung, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der dpa. Dies sei nur zu erreichen durch eine „wirksame Steuerung“, die bisher fehle. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte der „Bild am Sonntag“: „Was es jetzt braucht, ist ein ministeriumsübergreifender nationaler Krisenstab im Kanzleramt, wo alle Fragen, von der Unterbringung bis zur Versorgung und Kinderbetreuung, geklärt werden.“

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort