Südafrika: Auf Patrouille im Elendsviertel

Ein Jahr vor der Fußball-WM sorgen Jugendliche in ihrem Township für mehr Sicherheit.

Pretoria. Aufgeregt kommt die alte Frau auf Ndgodi zugelaufen. In der Nacht, so erzählt sie, sei bei ihr eingebrochen worden. Ndgodi und seine Leute sollten sich darum kümmern. "Wir werden eine Nachtpatrouille schicken", verspricht der 24-Jährige, zieht seine Baseballkappe ein wenig tiefer in die Stirn und setzt seinen Weg durch die staubigen Straßen von Atteridgeville fort. Vorbei an Wellblechhütten und ärmlichen Behausungen, die nur aus Holzpflöcken und einer Plastikplane zu bestehen scheinen.

Ndgodi und seine Kollegen sind "Peace Worker", 18- bis 25-Jährige, die in ihren gelben Westen mit der Aufschrift "Metro Police" inzwischen zum Erscheinungsbild des Townships vor den Toren der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria gehören. Mord, Vergewaltigung und Raubüberfälle gehören hier wie überall in den Elendsvierteln zum Alltag. Und das in einem Land, das im nächsten Jahr anlässlich der Fußball-WM hunderttausende Touristen beherbergen soll.

"Peace Worker" ist ein Projekt der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Gemeinsam mit der Stadtpolizei Pretoria ("Metro Police") bietet die GTZ jungen Erwachsenen eine Ausbildung zum "Friedensarbeiter" an. "Da die Jugendlichen selbst aus den Townships kommen, kennen sie die Guten und die Bösen in ihrem Viertel", sagt GTZ-Projektmanager Ulrich Burgmer. Sie machen Drogendealern und anderen Kriminellen das Leben schwer, kümmern sich um Familien- und Nachbarschaftsstreitigkeiten - und sollen auch die Weltmeisterschaft sicherer machen.

Nicht zuletzt sind sie Brückenbauer zwischen den Uniformierten und den 250000 Bewohnern von Atteridgeville. Denn um das Verhältnis zwischen beiden Seiten war es lange nicht zum Besten bestellt. Viele haben noch traumatische Erinnerungen an die Panzereinsätze des Apartheidregimes. Für die Polizei wurden die Elendsviertel zur Tabuzone.

So mancher "Peace Worker" machte vor kurzem selbst noch die Gegend unsicher. "Heute patrouillieren sie paarweise durch die Straßen und tragen zur Deeskalation von Konflikten bei", sagt Burgmer. Die "Peace Worker" fühlen sich dabei als verlängerter Arm der Polizei. "Wir gehen in die Familien, in die Schulen und bauen Vertrauen auf", erzählt Ndgodi. Angst kennt der 24-Jährige nicht. "Wenn eine Situation brenzlig wird, fordern wir über Funk die Unterstützung der Polizei an." Die eigene Sicherheit geht vor, denn die "Peace Worker" sind unbewaffnet.

In Atteridgeville stand man den jungen Hilfskräften anfangs skeptisch gegenüber. "Man nannte uns Spione. Selbst im Familien- und Freundeskreis wurden wir kritisch beäugt", erinnert sich der junge Mann. Inzwischen ist die Akzeptanz hoch, denn die Kriminalität geht spürbar zurück. Statistisch belegen lässt sich das indes nicht. "Viele Vorfälle werden von der Polizei nicht bearbeitet, weil sie sich auf die schwere Gewaltkriminalität konzentriert", erklärt Burgmer.

Auf die 420, auf ein Jahr begrenztenStellen gibt es 20000 Bewerbungen. "Wir bekommen eine Perspektive geboten", meint Ndgodi. Das ist viel in einem Land, in dem die inoffizielle Arbeitslosenquote bei 40Prozent liegt, in dem 43 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben. Mehr als 80Prozent der "Peace Worker" werden in den Polizeidienst übernommen oder an andere Arbeitgeber vermittelt.

Ihre erste große Belastungsprobe vor der WM, den Confederations-Cup, haben die "Peace Worker" bereits bestanden. Während des Turniers durften sie mit der Polizei auf Patrouille gehen. Größere Zwischenfälle gab es rund um das Fußballereignis nicht im Township. "Bei der WM sind wir auch dabei", sagt Ndgodi stolz. Er hofft, bis dahin die richtige Uniform tragen zu dürfen - als echter Polizist in Pretoria.

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