Strom-Skandal: Prognosen auf den Profit

Das deutsche Stromnetz ist während der Kältewelle möglicherweise von einigen Strom-Großhändlern an den Rand eines Zusammenbruchs gebracht worden.

Bonn. Die Bundesnetzagentur fordert Aufklärung, was zwischen dem 6. und 9. Februar zu der gefährlichen Unterversorgung und dem Beinahe-Blackout im deutschen Stromnetz geführt hat. „Wir werden das in alle Richtungen untersuchen“, betonte am Donnerstag ein Sprecher von Präsident Matthias Kurth.

Was war passiert? Wegen einer Rekordnachfrage von bis zu 100 000 Megawatt in Frankreich und auch eines in Deutschland hohen Verbrauchs bei extremer Kälte schnellte der Börsen-Strompreis für kurzfristige Einkäufe in die Höhe. An der Leipziger Energiebörse EEX und auch am Pariser Spotmarkt mussten zeitweise mehr als 380 Euro pro Megawattstunde Strom gezahlt werden — etwa das Siebenfache des normalen Kurses.

Sogenannte „Bilanzkreisverantwortliche“, vereinfacht gesagt: Stromhändler, handeln mit Liefer- und Abnahmeversprechen — also dass sie für einen bestimmten Zeitraum von einem Stromlieferanten eine bestimmte Menge an Strom beziehen. Gegen sie richten sich die Vorwürfe.

Die bundesweit rund 900 Bilanzkreisverantwortlichen prognostizieren anhand von Erfahrungswerten über den Verbrauch den Einkaufsbedarf — kurzfristig, aber auch langfristig. Daran orientiert sich auch die Stromproduktion. Doch Anfang Februar kam es gehäuft zu teilweise erheblichen kurzfristigen Fehlprognosen.

„Diese waren für die Unterdeckung verantwortlich“, sagt ein Branchenkenner. Der Verdacht: Die Händler können ihre Bedarfsprognosen bewusst kleingerechnet haben, um angesichts der hohen Preise Geld zu sparen, da sie ja nur die vorhergesagten Mengen einkaufen mussten.

Um die entgegen den Prognosen höhere Stromversorgung aufrecht zu erhalten, mussten Notreserven angezapft werden. Diese sogenannte „Regelenergie“ dient normalerweise als Absicherung, wenn ein Kraftwerk ausfällt oder es wegen kleinerer Prognosefehler mehr Bedarf gibt als erwartet. Das massenhafte Anzapfen der Reserve jedoch drohte das Netz nahe an den Kollaps zu bringen.

Das Brisante dabei: Der Preis der Regelleistung ist weitgehend fix, und er lag an diesen Tagen zeitweise deutlich unter dem Börsenstrom. Kosten von rund 100 Euro je Megawattstunde werden den Händlern im Nachhinein dafür berechnet — statt der Spitzenpreise an der Strombörse.

Zwar müssen die Händler ihre Prognosen für den Handel an der Strombörse mit 24 Stunden Vorlauf einreichen. Aber: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Regelenergiepreise niedriger sind als Börsenpreise in Höhe von 380 Euro pro Megawattstunde, ist sehr groß“, sagt Tobias Federico, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Energy Brainpool. Dennoch dürfte es für die Netzagentur schwer werden, Händlern einen Vorsatz nachzuweisen.

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