Der Fall Anis Amri Streit um Möglichkeiten im Fall Amri: Innenminister uneins

Was hätten die Behörden tun können im Fall des späteren Attentäters Anis Amri? Innenminister de Maizière meint, ein Antrag auf Abschiebehaft hätte Erfolg haben können. Sein NRW-Kollege wiederholt, die rechtlichen Hürden dafür seien hoch.

 Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.

Foto: dpa

Berlin. Im Streit über die politische Verantwortung im Fall des Terroristen Anis Amri hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière den nordrhein-westfälischen Behörden Nachlässigkeit vorgeworfen. Aus seiner Sicht wäre es keineswegs unmöglich gewesen, Amri in Abschiebehaft zu nehmen, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“.

Dagegen kritisierte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erneut die schleppende Abschiebepraxis in die Staaten Nordafrikas. „Die Verfahren dauern viel zu lange, die Herkunftsländer sind unkooperativ“, sagte Jäger. Er begrüße, dass der Bund die rechtlichen Hürden für die Abschiebehaft senken wolle.

Amri war am 19. Dezember mit einem Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast. Bei dem islamistischen Anschlag wurden zwölf Menschen getötet, etwa 50 teils schwer verletzt. Laut Jäger haben die tunesischen Behörden erst am 21. Dezember 2016 bestätigt, dass Amri ihr Staatsangehöriger sei.

De Maizière hatte dem „Spiegel“ gesagt, im Oktober 2016 habe Tunesien einem Verbindungsbeamten des BKA mitgeteilt, dass Amri ihr Staatsbürger sei. „Spätestens da hätte auf Basis des geltenden Rechts ein Antrag auf Abschiebehaft gute Erfolgsaussichten gehabt.“ Dies wäre Aufgabe des „für den Vollzug des Ausländerrechts zuständigen Lands“ gewesen - in diesem Fall also Nordrhein-Westfalen.

Jäger hatte am Samstag mit de Maizière deshalb telefoniert. „Diese Einschätzung des Bundesinnenministers deckt sich nicht mit den praktischen Erfahrungen bei Abschiebungen in die Maghrebstaaten“, erklärte der SPD-Politiker danach. Er hatte mehrfach betont, die rechtlichen Möglichkeiten hätten nicht ausgereicht, um den ausreisepflichtigen Tunesier aus dem Verkehr zu ziehen. Man sei bei Amri bis an die Grenzen des Rechtsstaates gegangen. Die rechtlichen Hürden seien aber zu hoch gewesen, um ihn von der Justiz in Abschiebehaft nehmen zu lassen.

Aus einer von den Bundesministerien des Innern und der Justiz kürzlich vorgelegten Chronologie geht hervor, dass sich die Behörden seit Ende 2015 nahezu wöchentlich mit dem Tunesier befassten. Amri wurde als islamistischer Gefährder eingestuft, fiel mehrfach als Krimineller auf, wurde als Asylbewerber abgelehnt und dennoch nicht in Abschiebehaft genommen.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Eva Högl, wandte sich gegen wechselseitige Schuldzuweisungen. Künftig solle Abschiebehaft bei Gefährdern leichter möglich sein, sagte die SPD-Politikerin.

Als Konsequenz aus dem Anschlag plädierte de Maizière für verbindliche Regeln, wie intensiv Gefährder zu überwachen sind. „Es kann nicht sein, dass das eine Bundesland einen bestimmten Gefährder rund um die Uhr observiert und ein anderes bei derselben oder einer vergleichbar gefährlichen Person nur das Telefon überwacht“, sagte der Minister. dpa

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