Streit um Merkels Steuer-Versprechen

Zwei Ost-Ministerpräsidenten leisten Widerstand: Sie glauben nicht, dass Steuersenkungen finanzierbar sind.

Berlin. Angela Merkel und die Unions-Regierungschefs - das war schon immer ein besonderes Verhältnis. Nach heftigen Turbulenzen in den vergangenen Jahren schien es unionsintern allerdings lange ruhig um die Länderfürsten von CDU und CSU. Mit dem Streit über die Jobcenter-Reform meldeten sie sich in diesem Frühjahr deutlich hörbar zurück. Mitten in der Arbeit für das gemeinsame Wahlprogramm steuert die Union nun auf einen neuen Konflikt zu, den Merkel gern vermeiden will.

Ihr geht es um das Signal: Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl. Doch gleich mehrere Ministerpräsidenten warnen vor Steuergeschenken im Wahlkampf. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) steht in der Union nicht unbedingt im Verdacht, bundespolitische Ambitionen zu hegen.

Der 73-Jährige kann deshalb so manche Debatte deutlicher als andere kommentieren. Und so warnt er, wenn es um Steuerentlastungen geht: "Wir sollten auf keinen Fall Versprechen machen, die wir nicht halten können." Erst müssten die Haushalte von Bund und Ländern saniert sein. Danach sieht es derzeit aber nun gar nicht aus. Im Gegenteil: Bei der Steuerschätzung im Mai sind angesichts wegbrechender Einnahmen in der Wirtschaftskrise neue Hiobsbotschaften zu erwarten.

Böhmer steht in der CDU mit seinen Befürchtungen nicht allein. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen sehen ebenfalls keinen Spielraum für Senkungen. "Ich wäre sehr dankbar, wenn es nach der Bundestagswahl nicht zu Steuergeschenken kommt", sagt Carstensen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger sagt schon seit längerem: Keine Steuersenkung auf Pump.

Anders sieht es CSU-Chef Horst Seehofer: "Steuern runter!", fordert der bayerische Regierungschef. Darin sind sich Merkel und Seehofer einig, wenn auch die Feinheiten für das gemeinsame Wahlprogramm noch in Arbeit sind.

Sanieren, investieren, reformieren - da ist er wieder, Merkels Dreiklang. Die CDU-Chefin kündigte am Wochenende in einem Interview an, dass es im Unions-Programm für die Bundestagswahl am 27. September um Schuldentilgung, Investitionen in Innovation und steuerliche Entlastung gehen soll. Unstrittig ist in der Union, den Steuertarif so zu ändern, dass die heimliche Steuererhöhung infolge steigender Löhne gemildert wird ("kalte Progression").

Doch der Wirtschaftsflügel in der CDU und die CSU wollen mehr. Deshalb prüfen die Unionsparteien unter anderem eine Senkung der Einkommensteuer und eine Wiedereinführung der steuerlichen Wohnungsförderung.

Wie weit die möglichen Steuersenkungen gehen sollen, wird in der Union wohl erst Mitte des Monats feststehen, wenn die neuen Zahlen auf dem Tisch liegen. Der CDU-Finanzpolitiker Otto Bernhardt rechnet allein für dieses Jahr mit Steuerausfällen von bis zu 40 Milliarden Euro.

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