Streik der Milchbauern vor Gericht

Justiz: Das OLG Düsseldorf muss entscheiden, ob die Landwirte auch künftig Lieferungen an die Molkereien verweigern dürfen.

Düsseldorf. Aus Sicht der deutschen Milchbauern war es schiere Notwehr, aus Sicht des Bundeskartellamtes ein eindeutiger Verstoß gegen das Kartellrecht: Im Mai und Juni des vergangenen Jahres hatte der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) bundesweit mit einem Milchlieferstopp für höhere Erzeugerpreise demonstriert, nachdem ein aggressiver Preiskampf des Lebensmitteleinzelhandels den Rohmilchpreis bis auf 30Cent je Kilogramm Milch gedrückt hatte.

Unter dem Druck dieses mehrwöchigen Lieferstopps des BDM hatten die großen Discounter schließlich die Preise wieder angehoben. Die Bonner Wettbewerbshüter sahen daher einen eindeutigen Verstoß gegen das Kartellrecht, mahnten den BDM ab und drohten für den Wiederholungsfall mit hohen Bußgeldern: Bereits der Aufruf zum Milch-Streik sei eine "rechtswidrige und unbillige Behandlung des Marktes".

Dagegen hatte der Verband Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) eingelegt. Die Düsseldorfer Richter müssen nun klären, ob der Lieferstopp tatsächlich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht war - und dem BDM somit vergleichbare Proteste künftig verboten sind.

Genau darauf scheint die Entscheidung des OLG-Kartellsenats hinauszulaufen. Bereits zum Beginn der gestrigen Verhandlung ließ der Vorsitzende Richter Jürgen Kühnen wenig Sympathie für die Milchbauern erkennen, und deutete an, dass sein Senat wohl der Ansicht des Bundeskartellamtes folgen wird. "Preise bilden sich im Wettbewerb und nicht durch kollektiven Druck", betonte Kühnen.

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, der die Proteste organisiert hatte, sei noch nicht einmal eine "gewerkschaftsähnliche Gruppe", somit stehe dem BDM und seinen Mitgliedern auch kein Streikrecht zu.

Man müsse sogar die Frage stellen, ob der Lieferboykott nicht auch eine "strafrechtliche Relevanz" habe, nämlich Anstiftung zur gemeinschaftlichen Erpressung darstelle, sinnierte Kühnen. Darüber allerdings habe sein Senat nicht zu entscheiden.

Für die Milchbauern war das ein Schock. "Wir werden seit Jahren betrogen und beschissen, und jetzt sollen wir auch noch das Gesetz gegen uns haben?" klagte Romuald Schaber, Bundesvorsitzender des BDM. "Die Milchbauern stehen mit dem Rücken an der Wand, können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, und nun sollen wir uns noch nicht einmal mehr wehren dürfen mit dem einzigen Mittel, das uns zur Verfügung steht?"

Immerhin ist der Erzeugerpreis für Milch inzwischen noch wesentlich tiefer gefallen als noch zum Zeitpunkt des Lieferstopps - von damals 30 Cent pro Kilo Milch auf derzeit nur noch 20Cent. Schaber: "Davon kann kein Milchbauer existieren."

Doch die Milchbauern klagen nicht nur, sondern haben durchaus auch rechtliche Argumente auf ihrer Seite. Denn der Satz des Vorsitzenden Richters, Preise dürften nicht durch kollektiven Druck entstehen, träfe schließlich auch auf die Lage der Milchbauern zu, sagte Romuald Schaber.

"Wir haben doch gar keine Einflussmöglichkeit auf den Preis. Wir liefern doch nur die Milch und erfahren erst sechs Wochen später, was wir dafür bekommen. Die Preise werden uns vorgeschrieben, nachdem sie kollektiv von Molkereien und Einzelhandel festgesetzt wurden. Ist also eine kollektive Preisfestsetzung von oben wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern nur der kollektive Druck von unten?"

Keine leichte Entscheidung für den Kartellsenat des OLG. Das Ergebnis will das Gericht am nächsten Mittwoch verkünden.

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