Skandal: Patient als Spielball der Ärzte?

Der Kassenarzt-Chef hält die Vorwürfe für übertrieben. Doch immer mehr Details zu Prämienzahlungen kommen ans Licht.

Berlin. Der oberste deutsche Kassenarzt ist wütend. Andreas Köhler wettert über den Ruf nach schärferen Gesetzen gegen bestechliche Ärzte. Der ganze Wirbel um Ärzte-Korruption ist für den Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Theater nach nachrichtenarmen Wochen, "der Mutterkuchen des Sommerlochs".

Aber was sagt Köhler zu dem jetzt laut gewordenen Pauschalvorwurf, die Mediziner handelten in dem zerklüfteten Honorarsystem immer mehr Geld aus und holten sich das Bare gleichzeitig hintenrum über dunkle Kanäle? Köhler schüttelt den Kopf. "Wenn das mal ein paar Fälle sind, muss ich mich fragen: Was passiert da in der Öffentlichkeit?"

Immer mehr Details kommen hoch. Insider melden sich anonym zu Wort. Vor allem internistische Hausärzte, Orthopäden, Urologen, Augenärzte und Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten sollen von Krankenhäusern Prämien für lukrative Patienten bekommen haben.

Fünf Prozent der Kliniken sollen betroffen sein. Patienten sollen in Häusern landen, die gar nicht auf ihre Krankheiten spezialisiert sind.

Der Chef einer Arzt-Vereinigung berichtet per Interview von immer mehr und immer dreisteren Fällen. Ein Chefarzt habe mit mehreren Praxisärzten Prämien ausgemacht, damit seine Operationsabteilung ausgelastet ist.

Tatsächlich hielten die für die Klinikplanung zuständigen Länder über Jahre nach Ansicht von Experten viele der rund 2100 Häuser künstlich am Markt. Die Liegezeiten sinken ständig. Entsprechend scharf ist der Wettbewerb zwischen den Häusern.

Wie können Zahlungen von Kliniken an Ärzte abgewickelt werden? Köhler nennt die Gesundheitsreform 2007 als eine Grundlage. Kliniken können Kranke nach einer Operation demnach in Eigenregie ambulant weiterbehandeln - dies aber an niedergelassene Ärzte delegieren. "Das ist legitim. Da gibt es einen Vertrag, und dann rechnet der niedergelassene Arzt mit dem Krankenhaus seine Leistungen ab."

Verboten freilich sei es, dies bei der Arzt-Vereinigung ein zweites Mal in Rechnung zu stellen. "Und jetzt gibt es einige wenige Fälle, bei denen kein solcher Vertrag vorliegt." Und bei denen Ärzte trotzdem Honorar von den Kliniken einfordern.

Aber auch die Zahlung ausgesprochener Motivationsprämien, Fangprämien und Kopfpauschalen räumt Köhler ein. "Da kennen wir Krankenhäuser, die das machen. Das geht so nicht."

Der Erfindungsreichtum der Rechenkünstler im Gesundheitswesen reicht aber noch weiter: "Dann gibt es noch ganz sonderbare Konstruktionen: Da gibt es dann für die Qualitätssicherung eine Prämie", sagt Köhler. "Das alles ist nicht zulässig."

Und die Kranken? Patientenschützer raten den Versicherten, sich bei ihrem Arzt genau zu erkundigen, warum er sie in eine Klinik einweist. Doch ob der Arzt, der etwas zu verbergen hat, dann im Gespräch offen ist?

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