Schulden auf Rekordniveau – Schuldenbremse in der Kritik

Bund nimmt 47,6 Milliarden Euro an neuen Krediten auf. Wissenschaftler sind dennoch gegen neue Fesseln für die Politik.

Berlin. In der Auseinandersetzung um eine Schuldenbremse für Bund und Länder haben 64 Hochschulprofessoren einen Stopp der Pläne verlangt. "Die Schuldenbremse gefährdet die gesamtwirtschaftliche Stabilität und die Zukunft unserer Kinder", heißt es in dem Appell, über den die "Süddeutschen Zeitung" berichtete. Initiatoren seien der Wirtschaftsweise und Volkswirtschaftsprofessor Peter Bofinger und der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn.

"Wir wollen nicht dazu aufrufen, jetzt fröhlich Schulden zu machen", sagte Bofinger der Zeitung. Mit einer einseitigen Fixierung auf Schuldenregeln drohten aber langfristig viel zu niedrige Bildungs- und Infrastrukturausgaben. "Damit setzen wir die Zukunft unseres Landes aufs Spiel." Der Appell wurde dem Bericht zufolge an alle Bundestagsabgeordneten geschickt.

Die geplante Schuldenbremse im Grundgesetz verbietet den Ländern vom Jahr 2020 an, neue Kredite aufzunehmen. Der Bund darf sich nur noch in sehr engen Grenzen weiter verschulden. Der Bundestag will die entsprechende Grundgesetzänderung am Freitag verabschieden.

In dem Appell heißt es, es sei unverantwortlich gegenüber den aktiven wie den zukünftigen Generationen, wenn mit der Schuldenbremse einem kaum erprobten Konzept unmittelbar Verfassungsrang eingeräumt werden solle. Die Schuldenbremse verkürze das zentrale Ziel der Zukunftsvorsorge einer Volkswirtschaft auf die Stabilisierung des Schuldenstandes der öffentlichen Hand.

Auch in der SPD gibt es Bedenken gegen eine zu strikte Schuldenbremse und Forderungen nach einer Lockerung der Pläne. Die SPD-Bundestagsfraktion votierte am Dienstagabend aber trotz Bedenken in den eigenen Reihen für die Vereinbarungen in der Großen Koalition. Nach Teilnehmerangaben stimmten weniger als 20 Fraktionsmitglieder mit Nein. Dafür beschloss die FDP-Fraktion, ihre Zustimmung zur Reform zu entziehen und sich am Freitag bei der Verabschiedung der Verfassungsänderungen im Bundestag zu enthalten.

Derweil beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch den Entwurf für den zweiten Nachtragshaushalt für 2009. Die Neuverschuldung steigt der Vorlage von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zufolge auf den neuen Rekordwert von 47,6 Milliarden Euro. Das sind 10,7 Milliarden Euro mehr als bisher vorgesehen. Damit sollen die dramatisch wegbrechenden Steuereinnahmen und deutliche Mehrkosten vor allem für den Arbeitsmarkt und die Sozialkassen aufgefangen werden.

Steinbrück sagte zu den höheren Schulden: "Das ist beklagenswert." Die Regierung könne in der tiefsten Wirtschaftskrise in der bundesdeutschen Geschichte aber nicht die Hände in den Schoß legen. Sie versuche, mit kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen die "Situation zu erleichtern". In der gegenwärtigen Situation dürfe der Staat nicht dazu beitragen, die Krise durch weitere Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen noch zu verschärfen.

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