Scharfe Kritik an NRW-Gesetz zum gemeinsamen Lernen

Nach langen Diskussionen hat die NRW-Regierung ihren Gesetzentwurf zur Inklusion in den Landtag eingebracht. Es hagelt Kritik. So werde das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schülern nicht gelingen, sagen viele.

Düsseldorf (dpa). In Nordrhein-Westfalen droht beim gemeinsamen Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern nach Einschätzung der CDU „eine Inklusion nach Kassenlage“. Die rot-grüne Landesregierung wolle die Kosten der Inklusion auf die Kommunen abwälzen, kritisierte CDU-Fraktionsvize Klaus Kaiser am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag. Es sei zu befürchten, dass reiche Kommunen das gemeinsame Lernen in allgemeinen Schulen zwar forcieren werden, arme Kommunen dagegen aber passen müssen. Die FDP appellierte an die Regierung: „Ziehen Sie diesen schlechten Gesetzentwurf zurück.“

Behinderte Kinder sollen - dem am Mittwoch eingebrachten Gesetzentwurf zufolge - ab dem Schuljahr 2014/15 schrittweise einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht mit Nichtbehinderten erhalten. Nach Einschätzung von FDP-Bildungsexpertin Yvonne Gebauer ist der Entwurf ein Angriff auf die Kommunen, die Wahlfreiheit der Eltern und die Qualität der sonderpädagogischen Förderung. Es werde eine „massive Schließungswelle von Förderschulen“ losgetreten.

Auch die Piraten kritisierten das Gesetz, das zu einer „Inklusion light“ führen werde. Fraktionschef Joachim Paul zufolge bleibt im Dunklen, wie die hohen Kompetenzen der Förderschulen Eingang in die Regelschulen finden sollen.

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) betonte dagegen, es werde Rücksicht genommen auf die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Kommunen. Der Prozess solle auch Schulen und Schulträger nicht überfordern. Der Entwurf sei mit einem soliden Finanzierungsrahmen verbunden. Bis 2017 werde das Land weitere 2000 Stellen zur Unterstützung des gemeinsamen Lernens bereitstellen. „Der Weg zu einem inklusiven Schulsystem ist kein gemütlicher Spaziergang, sondern eine anspruchsvolle Bergwanderung“, sagte die Ministerin. Man fange auch keineswegs bei Null an, sondern habe schon vieles geschafft beim gemeinsamen Lernen. Entscheidend sollten Elternwille und Bedarf sein. Von Inklusion profitierten alle Kinder.

Von Städtetag, Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund kam ebenfalls Kritik. Die kommunalen Spitzenverbände monierten, die zu erwartende Schließung vieler Förderschulen lasse gerade in ländlichen Regionen die zugesagte Wahlfreiheit für die Eltern ins Leere laufen. Das Gesetz drücke sich um eine Festlegung inhaltlicher Rahmenbedingungen. Es bleibe zudem offen, „ob und in welchem Umfang jemals ein Ausgleich der finanziellen Mehrkosten erfolgen wird.“ Der Elternverein Mittendrin bemängelte, der Entwurf sei „völlig unübersichtlich“ und lasse mehr Fragen offen als er beantworte. Es fehle ein klarer individueller Rechtsanspruch auf inklusive Bildung.

Einer von der Bertelsmann-Stiftung beauftragten Studie zufolge ist der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine reguläre Schule besuchen, in NRW auf 19,2 Prozent gestiegen. NRW hinke aber dem Bundesdurchschnitt hinterher. Eine seit 2009 in Deutschland geltende UN-Konvention verpflichtet, auf Elternwunsch inklusiven Unterricht zu gewährleisten.

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