Interview Russlandbeauftragter: Ukrainisches Parlament sollte Vertrauensvorschuss nutzen

Dirk Wiese (SPD) ist Russlandbeauftragter der Bundesregierung. Er glaubt: Das Wahlergebnis in der Ukraine birgt große Chancen.

 Dirk Wiese (SPD) über die Wahl in der Ukraine.

Dirk Wiese (SPD) über die Wahl in der Ukraine.

Foto: Dirk Wiese

Herr Wiese, hat Sie der klare Wahlerfolg Selenskyjs überrascht?

Dirk Wiese: Nein. Selenskyj selbst wurde in einer Stichwahl im April mit mehr als 70 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt, und für die Parlamentswahl am Sonntag sahen die Umfragen seine Partei klar in Führung. Diese Wahl hat nun erneut bewiesen, dass sich die Ukrainer nach einer friedlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Zukunft sehnen.

In Russland schien es Anfangs, als würde man Selelenskyj dort nicht ernst nehmen. Ändert sich das jetzt?

Wiese: Es stimmt, dass Präsident Putin dem Präsidenten Selenskyj zunächst nicht zum Wahlsieg gratuliert hat. Mittlerweile haben Selenskyj und Putin telefoniert und auch über die Fortsetzung der Gespräche im Normandie-Format gesprochen. Russland muss sich konstruktiv an diesen Verhandlungen beteiligen, insbesondere wegen der eigenen Rolle im Ost-Ukraine-Konflikt und wegen seines Einflusses auf die Separatisten.

Selenskyjs oberstes Ziel ist eine Beendigung des Krieges in der Ostukraine. Ist das jetzt realistischer geworden?

Wiese: Auf Initiative von Selenskyj ist es an einem Brennpunkt des Konflikts, bei Staniza Luhanska, zu einer Truppenentflechtung gekommen. Seit Sonntag gilt eine neue Waffenruhe, die hoffentlich stabiler sein wird als vorhergehende. Der Schlüssel zum Frieden ist, dass das Minsker Abkommen umgesetzt wird – dafür braucht es konstruktive Schritte, und zwar nicht nur von ukrainischer Seite, sondern auch von russischer. Dank Selenskyj gibt es nun zumindest ein neues positives Momentum in diesem Konflikt. Russland sollte seiner Verantwortung gerecht werden und es nicht ungenutzt lassen.

(vet)
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