Rüttgers neue Rolle: Er macht den Sozialwart in Berlin

Der Chef der NRW-CDU gibt den Anwalt der kleinen Leute. Die Grünen sorgen sich um die SPD.

Düsseldorf. Nach der Wahl ist vor der Wahl: Acht Monate vor der Entscheidung in Nordrhein-Westfalen und einen Tag nach der Bundestagswahl hat am Montag in Düsseldorf das große Belauern und Taktieren eingesetzt.

Kurioserweise spielt sich das vor allem innerhalb der eigenen Lager ab: Die FDP schielt also auf die CDU, die Grünen auf die SPD. Auf den Spitzenfiguren, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Oppositionsführerin Hannelore Kraft (SPD), lastet nun deutlich mehr Druck als noch in der vergangenen Woche.

Rüttgers reklamierte am Montag für sich das Amt eines Sozialwarts für die sich anbahnende schwarz-gelbe Koalition in Berlin. Er weiß genau: in acht Monaten gibt es in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahlen, die nach allen bisher geltenden Regeln zu einem Problem für ihn werden könnten.

Denn Schwarz-Gelb im Bund könnte zum natürlichen Feind von Schwarz-Gelb in NRW werden - wenn es harte Einschnitte ins Sozialsystem geben sollte, wenn die Arbeitslosenquote stark steigt, wenn es kurz gesagt Grausamkeiten gibt, die einer konservativ-liberalen Bundesregierung zugeschrieben werden.

Doch Rüttgers baute vor. Er nannte am Montag in Düsseldorf drei Tabubereiche, die für ihn nicht verhandelbar sind. "Wir werden nichts am Kündigungsschutz ändern. Es gibt keine Aufweichung bei der Mitbestimmung.

Und es geht um eine höhere Anrechnung des Schonvermögens bei der Hartz-IV-Gesetzgebung", sagte Rüttgers. Und er bremste die FDP in ihrem liberalen Tatendrang noch an anderer Stelle aus. Einen konkreten Zeitpunkt für Steuersenkungen sehe er nicht. Schließlich gehe es ja auch um die Gegenfinanzierung.

Andreas Pinkwart, Hochschulminister und Vize-Ministerpräsident in der schwarz-gelben Landesregierung, aber auch stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender, konnte sich da nur tapfer wehren. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Äußerungen für lange andauern", sagte er. Er sieht hingegen den alten schwarz-gelben Traum verwirklicht, in NRW ebenso wie im Bund zu regieren und das Land zu verändern.

Davon sind derzeit die alten Koalitionspartner SPD und Grüne weit entfernt. Während SPD-Landeschefin Hannelore Kraft am Montag in Berlin an den entscheidenden Gremiensitzungen der Bundespartei teilnahm, fiel die Analyse der Grünen in Düsseldorf recht schonungslos aus. "Die alte Schröder-SPD ist am Ende.

Die Partei muss sich inhaltlich und wohl auch personell völlig neu aufstellen", sagte Daniela Schneckenburger, eine der beiden Landesvorsitzenden der Grünen. Die SPD müsse "die Schaufel auspacken", so Schneckenburger. In einer möglichen Kandidatur von Kraft zur stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden sah Schneckenburger jedenfalls kein Allheilmittel. Das wäre nur ein "Schäufelchen", sagte sie.

Die Grünen jedenfalls wollen völlig offen in die Landtagswahl gehen. "Wir schließen nichts aus und könnten mit allen zumindest reden", sagte Arndt Klocke, der andere Landesparteichef. Ein Bündnis mit CDU und FDP (Jamaika) oder auch mit SPD und Linken sei durchaus vorstellbar. "Das hängt aber von den Inhalten ab und muss von der Partei entschieden werden", sagte Klocke.

Damit sind die NRW-Grünen weiter als die SPD. Die spricht immer noch von einer Auseinandersetzung und lehnt direkte Gespräche mit der Linken ab.

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