Rechenspiele mit Rot-Rot-Grün

Ministerpräsident Althaus muss mit Verlusten rechnen.

Erfurt. Am Morgen, als Bodo Ramelow seinen vorletzten Wahlkampfsamstag beginnt, spielt sich in Erfurt eine kleine Szene ab, die wie bestellt wirkt, es aber nicht ist. Ein Fahrradkurier bremst, als der Spitzenkandidat der Linkspartei gerade in seinen roten Wahlkampf-Opel steigen will, und er ruft ihm zu: "Hab’ Sie schon per Brief gewählt, alles Gute!"

Für den 53-Jährigen, der vor 20 Jahren als Gewerkschaftssekretär aus Hessen nach Thüringen kam, kein Einzelfall. Mit Umfragewerten um die 24 Prozent im Rücken sieht Ramelow dem Urnengang am 30. August alles andere als unfroh entgegen.

Kein Wunder bei der nicht undenkbaren Aussicht, Regierungschef zu werden und so illustren Wahlkampfhelfern. Allen voran Ministerpräsident Dieter Althaus. Dessen CDU muss bei der Wahl mit herben Verlusten rechnen. 34 Prozent, mehr wird den verunsicherten Christdemokraten derzeit nicht zugetraut. Und auch wenn die FDP im Gefolge des liberalen Bundestrends in den Erfurter Landtag einziehen dürfte - "für Schwarz-Gelb wird es nicht reichen", sagt Ramelow selbstsicher.

Die Gründe für den Image-Absturz der CDU knüpft auch Ramelow an eine Peinlichkeit, die in der Berliner CDU-Zentrale nur noch mit Kopfschütteln begleitet wird: der "geradezu tragische" Umgang Althaus’ mit dem von ihm zu verantwortenden Skiunfall, bei dem eine Frau ums Leben kam. Letzter Stand: Nachdem sich Bernhard Christandl, der Witwer, öffentlich darüber beklagt hatte, dass Althaus mit wahrheitswidrigen Angaben den Unfall und die Folgen für sich im Wahlkampf ausschlachtet, wurde jetzt eine Stillschweigevereinbarung der Anwälte bekannt, die für Althaus einem Maulkorb gleichkommt: Kein Wort mehr zu dem Unfall!

Wo der Ministerpräsident schweigen muss, redet sein Herausforderer umso lieber. Vor allem über die nach Umfragen derzeit wahrscheinlichste Parteienkonstellation in Thüringen: Rot-Rot-Grün. 24 Prozent für die Linke und 20 Prozent für die SPD und 6 Prozent für die Grünen reichten für eine Regierungsübernahme aus. Glaubt man Verhandlungsführern auf beiden Seiten, dann gibt es bereits eine weitreichende Verständigung: Bildung, Energie, Kindertagesstätten, moderne Verwaltung, mehr direkte Demokratie lauten die Schlagworte, die alle drei Parteien dick auf der Fahne haben.

Aber wer schmeißt am Ende den Laden? Ramelow sagt, dass die Partei mit dem besten Wahlergebnis "Ort und Zeit der Koalitionsverhandlungen festlegt". Was so interpretiert wird, dass Ramelow Ministerpräsident werden will. Prompt konterte SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie: "Niemals!" Auch die Grünen grummeln, aber leiser.

Wer Ramelow darauf anspricht, erlebt den sonst hitzköpfigen Klartextsprecher auffällig vage. "Das sehen wir, wenn es soweit ist." Seine Motivlage ist dennoch klar: Ramelow war es, der einst aus PDS und WASG die Linkspartei werden ließ. Wenn jemandem zugetraut wird, einst ein in West wie Ost gesellschaftsfähiger Kandidat nach dem Abtreten der Fuhrmänner Gysi und Lafontaine zu werden, dann dem ehemaligen Gewerkschafter.

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