RAF-Prozess: Wahrheitssuche nach 33 Jahren

Michael Buback glaubt, dass Verena Becker seinen Vater getötet hat. Die Angeklagte schweigt.

Stuttgart. Nach 33 Jahren sitzen sie sich gegenüber, im Gerichtssaal von Stuttgart-Stammheim: Verena Becker und Michael Buback. Die ehemalige RAF-Terroristin ist angeklagt, am 7.April 1977 an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinem Chauffeur und einem Mitarbeiter beteiligt gewesen zu sein.

Michael Buback ist ihr hartnäckigster Verfolger. Er glaubt, dass Becker auf dem Motorrad saß, von dem aus sein Vater erschossen wurde. Das jedoch glaubt die Bundesanwaltschaft nicht. Becker sei zwar Mittäterin, aber nur, weil sie bei der Entscheidung über den Anschlag und der Planung eine maßgebliche Rolle gespielt habe.

Beckers Augen sind verborgen hinter einer Sonnenbrille, als sie in den Saal kommt. Sie trägt eine cremefarbene Jacke, Rollkragenpullover und Jeans. Ihr Gesicht ist blass, wie versteinert. Wegen einer Erkrankung vertrage sie kein Licht, erklärt der Richter später. Als die Fotografen und Kamerateams den Saal verlassen haben, nimmt sie doch die Brille ab.

Sie wirkt schüchtern, die Verlesung der Anklage verfolgt sie zurückgelehnt. Zwischendurch schließt sie die Augen. Manchmal schaut sie auf, auch kurz in Richtung Buback - doch beide vermeiden direkten Blickkontakt. Buback sitzt auf der anderen Seite, in schwarzem Anzug, neben ihm seine Frau und sein Anwalt. Der 65-Jährige verfolgt die Verhandlung konzentriert, gelegentlich tippt er etwas in sein Laptop.

Da Becker sich vorerst nicht zur Sache äußert, wird ihre Aussage vor dem Haftrichter verlesen. Darin versucht sie die Notizen zu erklären, die die Ermittler in ihrer Wohnung und auf ihrem Computer gefunden hatten. "Nein, ich weiß noch nicht, wie ich für Herrn Buback beten soll, ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld u. Reue", schreibt sie darin. "Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen."

Damit sei ihr früherer Weg in den bewaffneten Kampf gemeint, hatte sie dem Haftrichter erklärt. Den habe sie "schon vor langer Zeit aufgegeben, weil damit nur mehr Leid entsteht." Sie habe Michael Buback auch einen Brief geschrieben, aber auf Anraten ihres Verteidigers nie abgeschickt. "Spirituell haben wir einen Konflikt, den es zu lösen gilt. Deshalb gibt es auf spiritueller Ebene eine Beziehung zwischen uns."

"Ich glaube nicht, dass ein direktes Gespräch derzeit möglich wäre", sagte Michael Buback nach dem ersten Verhandlungstag. "Aber wenn Frau Becker sich an mich wendet, werde ich sicher dazu Stellung nehmen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort