Politbarometer: Angela Merkel auf dem Höhenflug

In der Wählergunst profitiert vor allem die Union davon, dass die Menschen mit der Großen Koalition zufrieden sind.

Berlin. Zwei Seiten einer Koalition: Während die Union wieder die 40-Prozent-Marke erklimmt und Bundeskanzlerin Merkel auf einer Woge der Sympathie schwimmt, verliert die SPD weiter an Zustimmung. Nach knapp zwei Jahren gemeinsamen Regierens profitieren vor allem CDU und CSU davon, dass die Arbeit der Großen Koalition von den Bürgern so gut bewertet wird wie noch nie.

Dem aktuellen ZDF-Politbarometer zufolge fällt das Urteil der Wähler zur Halbzeit der Legislaturperiode denkbar zufrieden aus: Mehr als zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) schätzen die Arbeit der Bundesregierung positiv ein. Diese entspannte politische Großwetterlage beschert vor allem der Union Aufwind. Erstmals seit Mai 2006 kämen CDU und CSU auf ein Ergebnis von 40 Prozent (plus 2), wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Dagegen verliert die SPD mit lediglich 29 Prozent (minus 2) erneut an Zuspruch. Die kleineren Parteien sieht die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen unverändert. Die Linke käme demnach auf zehn, die FDP auf neun, die Grünen auf acht Prozent.

Eine Ursache für den Höhenflug der Union ist die Popularität der Kanzlerin. Die Zufriedenheit mit der Arbeit Angela Merkels erreicht mit einer Zustimmung von 85 Prozent einen Rekordwert. Nur zwölf Prozent der Befragten finden, die CDU-Vorsitzende mache als Kanzlerin einen schlechten Job. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat hingegen nach der Diskussion über den Anti-Terror-Kampf an Zustimmung eingebüßt. 45 Prozent der Befragten gehen seine Vorschläge zur inneren Sicherheit zu weit, 33 Prozent halten sie für richtig.

"Merkel bedient mit ihrer unaufgeregten, anschmiegsamen, wenig polarisierenden Politik die Konsenssehnsucht vieler Deutschen", analysiert der Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte er: "Merkel kann mit ihrer unideologisch-pragmatischen, alles andere als typisch christdemokratischen Art stark bei Wechselwählern punkten." Die hohen Zustimmungswerte für die Union seien auch Folge eines "Merkel-Faktors". "Helmut Kohl hatte während seiner Kanzlerzeit schlechtere Sympathiewerte als seine CDU. Heute hat Angela Merkel bessere Sympathiewerte als ihre CDU."

SPD-Chef Kurt Beck dagegen kämpft selbst in den eigenen Reihen um Rückendeckung. Zwar plädieren laut Politbarometer 51 Prozent der befragten SPD-Anhänger dafür, ihn zum Kanzlerkandidaten zu küren, doch immerhin 40 Prozent sind dagegen.

Merkel-Biograf Langguth weist darauf hin, dass Umfragen immer nur Tagesaufnahmen sind. "Die Kanzlerin wird nicht dauerhaft eine derart hohe Zustimmung erreichen können. Denn nun muss sie sich dem harten Brot der Innenpolitik zuwenden", sagt der Professor der Universität Bonn. "Entscheidend ist aber, dass sich Merkel als Kanzlerin ein eigenständiges Image erarbeitet hat. Damit hat sie große Vorteile gegenüber jedem Kanzlerkandidaten der SPD." Die Bindung an Parteien werde immer stärker von den handelnden Personen bestimmt. "Hier hat die Union gegenüber der SPD einen Vorteil", urteilt Langguth.

Die Sozialdemokraten setzen angesichts der schwachen demoskopischen Werte auf die Anziehungskraft neuer Koalitionskonstellationen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil stärkt den Eindruck, dass Parteichef Beck auf eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP setzt. Er halte dies für eine "mögliche Variante im Jahr 2009", um "soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Dynamik und ökologische Vernunft" durchzusetzen, sagt Heil. Seine Partei wolle "Wahlen gewinnen, nicht Umfragen".

Angela Merkel ist ein Faszinosum. Als Kanzlerin sitzt sie Konflikte lieber aus, statt sie per Machtwort zu beenden, und ähnelt damit im Stil Helmut Kohl. Doch bei ihr hat das Aussitzen nichts Bräsiges, es wirkt im Gegenteil charmant. Zudem tänzelt sie mit souveräner Leichtigkeit durch EU-Gipfel oder Pressekonferenzen und lässt dabei Witzfiguren wie die Kaczynskis oder Journalisten, die abwegige Fragen stellen, auf hübsche Weise dumm aussehen. Kaum einer kann sich dem Sog der Sympathie entziehen. Nur: Bringt das Deutschland wirklich voran?

Natürlich ist es nicht einfach, Kanzlerin einer Großen Koalition zu sein. Die verfassungsrechtlich garantierte Richtlinienkompetenz verträgt sich nicht mit den Funktionsbedingungen eines solchen Bündnisses; ein "Durchregieren" ist praktisch unmöglich. Merkel bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als sich aufs Moderieren zu beschränken. Aber wo steht, dass Moderation zwingend bedeutet, die Zügel schleifen zu lassen? Wenn das, was diese Regierung noch tut, ein wenig Qualität haben soll, wenn man dem Land weitere "Reformen" à la Gesundheitskompromiss ersparen möchte, dann bedarf es zweier Spielregeln.

Erstens: Die Großkoalitionäre hören damit auf, sich gegenseitig zu beleidigen. Roland Koch darf die SPD nicht mehr einen "Hühnerhaufen" nennen und die SPD Wolfgang Schäuble nicht mehr einen "Amokläufer". Zweitens: Kabinettsmitglieder besprechen ihre Vorschläge erst in der Koalition, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen. Daran muss sich die Union, die in den Umfragen immer mehr vom Kanzlerbonus profitiert, ganz besonders halten. Tut sie es nicht, zwingt sie die mit dem Rücken zur Wand stehende SPD dazu, nicht nur "Mist" zu machen (das ist Müntefering zufolge Opposition), sondern sogar "Obermist" (also Opposition in der Regierung).

Plisch und Plum - so hießen in der Großen Koalition 1966-69 die Minister Karl Schiller und Franz Josef Strauß. Ihnen wäre es nie eingefallen, sich öffentlich gegenseitig Ratschläge zu erteilen oder gar Unflätiges über den anderen zu sagen. Merkel sollte alle Minister auf das Plisch-und-Plum-Prinzip verpflichten und es im Verhältnis zum Vizekanzler auch selbst vorleben. Dann hätte sie die guten Noten, die sie derzeit bekommt, auch voll verdient.

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