Obdachloser überwintert in der Cambridge-Bibliothek

Ein Mann hat wochenlang in der englischen Elite-Universität übernachtet. Er tarnte sich als fleißiger Student.

London. Ganz viel Interesse an dicken Schmökern vorgaukeln, aber heimlich hinterm Bücherstapel ein Nickerchen halten: Mit dem Trick hat es ein Obdachloser geschafft, während der kalten Januartage in der Bibliothek der Elite-Universität Cambridge zu überwintern. Weil er sich so verhielt wie andere Studenten, ist seine Tarnung erst nach sechs Wochen aufgeflogen.

Ganz kluge Köpfe haben schon an den schönen Erkerfenstern im St. John’s College mit Blick auf das Flüsschen Cam gesessen und gepaukt — neun Nobelpreisträger, sechs Premierminister, drei Heilige und zwei Prinzen. In diese illustre Runde von Vip-Gelehrten darf sich der Namenlose ohne Obdach ab sofort auch einreihen: Sein Show-Talent hat ihn im ganzen Königreich bekannt gemacht.

Den Winter über soll der Mann in der angenehm beheizten College-Bücherei gewohnt haben. Die Abteilung mit den Geschichtsschmökern hatte es ihm offenbar besonders angetan. Die Sitze bei den Historikern gelten als bequem, das Ambiente ist strikt störungsfrei. Der Dauer-Gast wurde gesehen, wie er in den Büchern blätterte, ab und an eine E-Mail vom Gemeinschaftsrechner abschickte und so tat, als wäre er sehr beschäftigt. Mit Gruppen von Studenten hat der Mann sich immer wieder in sein apartes Domizil geschmuggelt. Nötig für den Zutritt ist nur eine Magnet-Karte. Das Gebäude aus dem Jahr 1511 ist rund um die Uhr geöffnet.

Er habe weder streng gerochen noch abgerissen ausgesehen, berichten Studenten. Aufgefallen ist der Mann nur, weil er tagein, tagaus die gleichen Sachen getragen und sein Schnarchen die echten Studenten gestört hat. Reporter der Campus-Zeitung stellten ihn zur Rede und ließen seine Tarnung auffliegen. Als er sich nicht als Uni-Mitglied ausweisen konnte, beförderte ihn ein Portier nach draußen. Dort verliert sich seine Spur.

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