Obamas Versprechen: „Wir werden stärker sein als zuvor“

Der US-Präsident macht seinen Bürgern Mut in der Krise – und wird dafür vom Kongress wie ein Rockstar gefeiert.

Washington. In seiner ersten Rede vor beiden Kammern des amerikanischen Kongresses hat US-Präsident Barack Obama den Himmel auf Erden versprochen: Er will die Nation aus einer der tiefsten Wirtschaftskrisen in ihrer Geschichte herausführen, Krebs heilen, die schwer angeschlagene Autoindustrie retten und Amerika von den Fesseln ausländischer Ölkartelle befreien. Dass er an der einen oder anderen Stelle die Tatsachen verdrehte, schien die wenigsten zu stören. So rechnete er nicht etwa dem Deutschen Carl Benz die Erfindung des Automobils an, sondern den Amerikanern.

Mehr als 500 Senatoren, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und hohe Richter fanden sich im Plenarsaal des Kapitols ein, um die erste Regierungserklärung ihres neuen Präsidenten mitzuerleben - und sie feierten ihn wie einen Rockstar. Fast zehn Minuten dauerte es, bis Obama, dem jeder Politiker sehnsüchtig die Hand entgegenstreckte, sich durch die jubelnde Menge schlagen konnte und das Rednerpult erreichte.

Eine knappe Stunde lang, mehrfach von tosendem Applaus unterbrochen, erklärte der Präsident dann, wie das Land seine Kraft und Würde wiedererlangen könne. Dazu berief sich Obama immer wieder auf Franklin Delano Roosevelt, den US-Präsidenten, der vor 80 Jahren mit massiven staatlichen Ausgabenprogrammen eine tiefe Wirtschaftskrise überwinden konnte.

"Wir werden die Nation wieder aufbauen, die Wirtschaft wird sich erholen, und wir werden noch stärker sein als zuvor", betonte der Präsident und zitierte damit wörtlich eines seiner großen politischen Vorbilder.

Ganz im Stile Roosevelts wollte der Präsident volkstümlich wirken, nicht also vage politische Programme beschreiben, sondern sich vielmehr mit dem Schicksal des Durchschnittsbürgers identifizieren. Er verstehe, dass die Wirtschaftskrise vielen Menschen, die ihren Job verloren haben, um ihre Rente bangen, deren Vertrauen tief erschüttert ist, schlaflose Nächte bereite.

Dann schwor er seine Landsleute auf einen Paradigmenwechsel ein: Bei Managern ebenso wie Anlegern und auch Durchschnittsbürgern müsse nun die Devise gelten "langfristiger Wohlstand ist wichtiger als schneller Gewinn". Mit massiven Investitionen in die marode Infrastruktur sowie erneuerbare Energien, das öffentliche Schulsystem und das Gesundheitswesen kündigte Obama an, ein neues Fundament für langfristen Erfolg zu legen, der aber seinen Preis hat.

In der Zwischenzeit müsse sich die Nation auf ein steigendes Haushaltsdefizit gefasst machen. Dass Billionen von Dollars an Steuergeldern in jene Banken gepumpt werden, die Amerikas Wirtschaft in den Abgrund steuerten, sei zwar eine bittere Pille.

Dafür würden nun die Manager Gehaltskürzungen hinnehmen müssen und ihre Aktivitäten unter deutlich schärfere Aufsicht fallen. Insbesondere werde er "nicht jene Branche, die Amerika erfunden hat, nämlich die Autoindustrie, untergehen lassen".

Es ging Obama vor allem darum, einem Volk, das mit sich und seinen eigenen Problemen befasst ist, neue Hoffnung zu geben. Das gelang ihm: Nach der Rede sagte fast drei Viertel der befragten Amerikaner, dass sie nun an eine bessere Zukunft glauben.

Zyniker unter seinen republikanischen Gegnern behaupten immerwieder, der neue US-Präsident Barack Obama sei für seine glühendenAnhänger so etwas wie der "Messias". Zwar liegt die blasphemischeKritik unterhalb der Gürtellinie. Gleichwohl stellt sich die Frage, obPräsident Obama anlässlich seiner ersten Regierungserklärung womöglichdoch etwas zu viel versprochen hat. Er will die Wirtschaft retten,Kriege beenden, die marode US-Infrastruktur erneuern und ein Volk, dasschon immer auf spritfressende Straßenkreuzer setzte, auf alternativeEnergien einschwören.

Es besteht kein Zweifel: Obama hat sich die Latte außerordentlichhoch gelegt. Doch er hat auch etwas anderes getan. Er hat seinenLandsleuten neue Hoffnung gegeben. Seine mitreißende Rede hat bei denAmerikanern neues Vertrauen darin geweckt, dass es Licht am Ende desTunnels gibt, dass die Krise überwunden werden kann. Das ist der größteVerdienst seines umjubelten Auftritts im Kapitol.

Kann aber Barack Obama die ehrgeizigen Projekte auch alle umsetzen?An der notwendigen Entschlossenheit, Selbstsicherheit und Disziplinfehlt es dem neuen Präsidenten der USA jedenfalls nicht.

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