Obama redet China ins Gewissen

Der US-Präsident fordert die Einhaltung der Menschenrechte. Das Regime in Peking zeigt sich davon unbeeindruckt.

Peking. US-Präsident Barack Obama hat zum Auftakt seines Besuchs in China die Einhaltung der Menschenrechte und Informationsfreiheit gefordert. Bei einem ersten öffentlichen Auftritt vor Studenten in Shanghai betonte Obama gestern, die Menschenrechte müssten für alle gelten. Die Polizei nahm wegen Obamas Besuch mehrere Bürgerrechtler fest. Menschenrechtsgruppen übten scharfe Kritik an Verfolgung und Einschüchterung.

Vor einigen hundert Studenten in Shanghai sagte Obama, die Menschenrechte seien universell. Die USA wollten ihr System und ihre Werte niemandem aufzwingen, aber die Meinungsfreiheit, das Recht auf religiöse und politische Betätigung, die Gleichheit aller Menschen sowie die Rechte von Minderheiten seien allgemeingültig. "Die Prinzipien, für die wir stehen, sind nicht einzigartig für unsere Nation", sagte Obama. Die universellen politischen und religiösen Rechte "sollten allen Menschen zur Verfügung stehen, auch ethnischen und religiösen Minderheiten, seien sie in den USA, in China oder irgendeiner anderen Nation".

Entgegen den Erwartungen der amerikanischen Seite wurde Obamas Diskussion mit den Studenten nicht landesweit live übertragen, sondern konnte nur von vergleichsweise wenigen Chinesen in Teilen im lokalen Fernsehen und im Internet verfolgt werden.

Der US-Präsident wandte sich dabei auch entschieden gegen jede Form von Zensur und betonte die Bedeutung der Freiheit des Internets und der neuen Kommunikationssysteme wie Twitter. Diese Freiheiten machten eine Gesellschaft transparenter und stärker, zwängen Regierungen zu mehr Selbstkritik und Offenheit, sagte Obama. Twitter ist wie Youtube oder Facebook in China gesperrt.

Die USA begrüßten den beeindruckenden Aufstieg und das Erstarken Chinas, sagte Obama weiter. Der stark gewachsene Handel zwischen den USA und China mit einem Volumen von derzeit 400Milliarden Dollar (270 Milliarden Euro) im Jahr habe Wohlstand und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Pazifiks geschaffen. China und die USA müssten ihre Zusammenarbeit noch verstärken, denn niemand könne bei Konfrontationen gewinnen.

Die pensionierte Professorin Ding Zilin, die einem Netzwerk von Opfern des Massakers in Peking vom 4. Juni 1989 vorsteht, forderte Obama in einem offenen Brief auf, sich für die Freilassung des Vorsitzenden des unabhängigen Pen-Clubs, Liu Xiaobo, einzusetzen.

Er ist einer der führenden chinesischen Dissidenten und Urheber der Charta 08 für demokratische Reformen. Der Pekinger Aktivist Qi Zhiyong, der bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 ein Bein verlor, berichtete, die Polizei halte ihn seit Anfang vergangener Woche in seinem Haus fest.

Das Vorgehen spiegele ein "Besorgnis erregendes Muster von willkürlichen Festnahmen, Einschüchterung und Unterdrückung der freien Meinungsäußerung wider, das immer in Zeiten zu sehen ist, in denen weltweite Aufmerksamkeit auf China ruht", berichtete die in Hongkong ansässige Organisation Chinese Human Rights Defenders. Sie listete noch weitere Bürgerrechtler auf, die entweder unter Hausarrest stehen, in Polizeigewahrsam genommen oder in staatlichen Gästehäusern untergebracht wurden.

Am Abend wurde Obama von Staats- und Parteichef Hu Jintao in Peking zum Abendessen empfangen. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen bis morgen die Handelsspannungen, Finanz- und Währungsfragen sowie die Atomstreitigkeiten mit Nordkorea und dem Iran.

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