Neuer Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz: Berlusconi machte ihn bekannt

Der Aachener Martin Schulz wird Präsident des EU-Parlaments.

Brüssel. Martin Schulz gehört zu den Menschen, die Anführungszeichen sprechen können. Zum Beispiel das Wort „präsidial”. Das intoniert Schulz mit einer Mischung aus Abscheu und Heiterkeit. Soll heißen: Ich weiß ja, was ihr darunter versteht. Aber wartet mal ab — ich verstehe es anders. Wie genau, wird man demnächst erfahren: Am Dienstag soll der SPD-Mann Schulz zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt werden.

Der Posten wurde bis jetzt vom polnischen Christdemokraten Jerzy Buzek und davor von dessen deutschem Fraktionskollegen Hans-Gert Pöttering bekleidet. Das sind zwei silberhaarige Herren mit guten Umgangsformen, friedfertiger Art und einem unbestreitbaren Talent, Einvernehmen herzustellen. Schulz geht das ab.

Das Harmonisieren und Repräsentieren ist seine Sache nicht. Politik ist Kampf, und wo Schulz ist, ist Politik „Ich werde als Präsident dem Amt ein anderes Gesicht geben”, sagt der 56-Jährige. Derzeit geht es — wie so oft, wenn Schulz die Lage analysiert, ums Ganze: Das wahre Europa, die große historische Idee von Integration und Solidarität, drohe untergepflügt zu werden. Auf den Krisen-Gipfeln gehe es zu wie im frühen 19. Jahrhundert beim Wiener Kongress. Die Staats- und Regierungschefs, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy an der Spitze, seien dabei, die EU unter ihre marktliberale Fuchtel zu bringen. „Die EU braucht eine parlamentarische Legitimierung. Ich will mit dem Parlament für mehr soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt in Europa sorgen.“

So will Schulz sich nicht damit bescheiden, wie seine Vorgänger zum Gipfel-Auftakt ein paar goldene Worte zu spenden. Er will mitmischen, wenn es zur Sache geht. Auf diesem Weg hat er es weit gebracht. Weiter als zahlreiche Weggefährten, Gegner und Beobachter es ihm zutrauten. Die in ihm erst nur eine provinzielle Null-Nummer, später einen Radau-Bruder sehen mochten, der seinen Aufstieg einem spektakulären Zusammenstoß mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi verdanke.

Schulz kommt aus Würselen bei Aachen. Da war er ambitionierter Fußballer, Buchhändler und lange Bürgermeister. „Wenn man auf die Europa-Landkarte schaut, ist das ein Vorort von Brüssel.” 1994 wurde Schulz in die Volksvertretung der EU gewählt.

Im Englischen und Französischen parliert er elegant. So stemmte er sich mit Fleiß, Instinkt, viel Ellenbogen nach oben: Vorsitzender der SPD-Gruppe, Fraktionschef der Sozialisten, Spitzenkandidat bei den Europawahlen.

Schulz, regelmäßiger Teilnehmer an den montäglichen Sitzungen der Parteiführung in Berlin, stellte sich mit allen gut. Für Buzek und Pöttering war der Vorsitz im Europa-Parlament der Karriere-Höhepunkt. Für Schulz gilt ein anderes Motto: „Dä Martin — dä will noch jett!“

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