Münchner Sicherheitskonferenz #MSC2016: Das große Reden

Nach der nächtlichen Einigung bei den Syrien-Gesprächen auf ein möglichst schnelles Ende der Gewalt kommt den Gesprächen bei der Sicherheitskonferenz noch mehr Gewicht zu. Die rund 30 teilnehmenden Staats- und Regierungschefs sowie 70 Außen- und Verteidigungsminister haben jetzt die Chance, den Willen zum Durchbruch zu festigen.

Am 12.02. beginnt dort die 52. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Am 12.02. beginnt dort die 52. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Foto: Andreas Gebert

München. Theo Sommer, einst Chef der „Zeit“, jetzt Herausgeber der „Security Times“, ist schlecht zu Fuß. Der 84-Jährige hat sich die Achillesferse beim Joggen angerissen. Während die Medien-Aufmerksamkeit sich am Donnerstagabend noch auf die Syrien-Gespräche wenige Kilometer entfernt am Englischen Garten konzentriert, legen die Außenminister von Luxemburg und Serbien, Jean Asselborn und Ivica Dačić, über den Dächern der Innenstadt in der Kaminlounge des „Bayerischen Hof“ schon mal vor: Das „Geschwafel von den Obergrenzen“ müsse aufhören, poltert Asselborn, und: „Wenn die Menschen aus Aleppo an eine Grenze kommen, wo sie in die Läufe von Gewehren schauen, ist es um Europa geschehen.“

Nein, diesmal könne man nicht sagen, dass Krisen Europa stärken. Diesmal habe man es mit einem langjährigen Problem zu tun. Auch dass Europa bei der Schlepper-Bekämpfung nun die Nato einschalte statt die zivilen Frontex-Grenzschützer zu stärken, sei kein gutes Zeichen. Und statt der Nato sei für die Schlepper-Bekämpfung im Mittelmeer zuständig. Und Ivica Dačić stellt schon mal klar: Serbien habe keine Lust, auf der Balkan-Route das Opfer der EU-Unfähigkeit zu werden, ihre Grenzen zu schützen. „Serbien wird nicht erlauben, dass alle ihre Grenzen schließen und die Flüchtlinge bei uns stranden.“

Der doppelte Außenminister-Auftritt am Vorabend der Münchner Sicherheitskonferenz würde die „Security Times“ noch mehr schmücken, wenn die unvorhersehbar langen Syrien-Gespräche ihr nicht die Schau stehlen würden. Die Zeitung, die wenig Breitenwirkung entfacht, ist ein gutes Beispiel für die Mechanismen, mit denen die Sicherheitskonferenz auch ohne jede offizielle Legitimation oder Beschlusskraft als informelle Austausch-Plattform der internationalen Politik dient.

Die „Security Times“ gehört zur Mediengruppe von Detlef W. Prinz. Der Journalist war Vorstandssekretär der IG Metall und Mitglied des SPD-Parteirats. Er gilt als enger Freund und Berater von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier — der nicht zufällig den Aufmacher der aktuellen Ausgabe zur Sicherheitskonferenz geschrieben hat, in dem er Ziel und Anspruch des deutschen Vorsitzes der OSZE erklärt. Als in der Kaminlounge neben dem Dachgarten im „Bayerischen Hof“ längst die Lichter ausgegangen sind, kommt Steinmeier gegen 1 Uhr am Freitagmorgen einen wichtigen Schritt voran: Bei den Syrien-Gesprächen gibt es eine grundsätzliche Einigung auf eine drastische Reduzierung der Gewalt, ein Waffenstillstand scheint in Sicht zu geraten.

Botschaften verbreiten, Plattformen nutzen, Signale senden, Deutungshoheiten beanspruchen, Prozesse anstoßen und manchmal Tatsachen schaffen — in München schafft das Reden über internationale Politik manchmal politische Fakten. Das war auch im vergangenen Jahr so, als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Verein mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Sicherheitskonferenz den amerikanischen Vorstellungen von Waffenlieferungen an die Ukraine auf dem damals vorläufigen Höhepunkt der Krise eine Absage erteilte. Damit war die gemeinsame Linie der EU zur Ukraine vorerst gefunden.

Von der Leyen eröffnet am Freitagnachmittag um 15 Uhr die Konferenz, die seit Donnerstagnacht vor allem unter der spannenden Frage steht, was von den in der Nacht verabschiedeten Schritten zu einer Reduzierung der Gewalt in Syrien nun an echtem politischem Willen sichtbar wird — und welche Rolle der deutsche OSZE-Vorsitz dabei spielen kann. Vorerst ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dabei auf einem guten Kurs.

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