Mit Winterreifen auf juristischem Glatteis

Analyse: Die Rechtslage ist für Autofahrer unübersichtlich. Hier ein Überblick über das, was derzeit gilt.

Düsseldorf. Kurz vor der kalten Jahreszeit planen die Verkehrsminister einen Schnellschuss in Sachen Winterreifenpflicht.

Die Neuregelung soll eine bisher unklare Rechtslage bereinigen. Bisher sind Winterreifen nicht ausdrücklich vorgeschrieben (siehe Infokasten). Es ist nur von "geeigneter Bereifung" die Rede. Das führte bislang dazu, dass jemand, der mit Sommerreifen bei glatten Straßen unterwegs war, Bußgeld zahlen musste. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Vorschrift im Juli für verfassungswidrig erklärt.

Der Autofahrer könne nicht erkennen, was "geeignete Bereifung bei winterlichen Wetterverhältnissen" in diesem Sinne sei. Es habe schon einen Winterreifentest gegeben, bei dem sich zwei Sommerreifen beim Fahren auf Eis als geeignet erwiesen hätten.

Die Oldenburger Richter sagten selbst, sie müssten die Sache nicht dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Über die Verfassungswidrigkeit dürften sie selbst entscheiden, weil die Straßenverkehrsordnung kein Gesetz, sondern nur eine Verordnung sei. Nur bei formellen Gesetzen hätte man Karlsruhe einschalten müssen. Dennoch ist das Urteil aus dem hohen Norden nicht Maß aller Dinge, andere Gerichte könnten die Sache anders sehen. Vor diesem Hintergrund sehen die Verkehrsminister Handlungsbedarf, weil die bereits bestehende Rechtsunsicherheit durch das Urteil noch vergrößert wurde.

Manch ein Autofahrer, der im vergangenen Winter wegen Fahrens mit Sommerreifen zur Kasse gebeten wurde, mag sich fragen, ob er nach dem Oldenburger Urteil das gezahlte Bußgeld nun erstattet bekommt. Doch Jörg Elsner, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Hagen, winkt ab: "Bußgeldbescheide werden nach einem Monat rechtskräftig."

Unabhängig davon, ob und wie eine Winterreifenpflicht und damit die Frage des Bußgelds geregelt wird - wie ist die Sache versicherungsrechtlich zu beurteilen? Dazu sagt der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft: "Die Kfz-Haftpflicht übernimmt den Schaden des Unfallopfers, auch wenn der Unfallverursacher mit Sommerreifen unterwegs war." Allerdings könne die Leistung aus der Kaskoversicherung (Schaden am eigenen Auto) gekürzt werden. Und Antje Jaspert, Sprecherin des Oberlandesgerichts Oldenburg, mahnt, dass sich das Urteil nur auf Fälle ohne konkrete Verkehrsgefährdung bezieht. Bei einem Unfall drohe sogar die Verfolgung wegen einer Straftat.

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