Missbrauch und Misshandlung: Kirche bittet um Verzeihung

Die Evangelische Kirche im Rheinland berichtet über neue Vorwürfe – und verspricht eine umfassende Aufklärung.

Düsseldorf. Es sei offenbar die "starke Eruption" der aktuellen Missbrauchs-Debatte notwendig gewesen, um diese Fälle ans Tageslicht zu bringen. Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland (Ekir), sprach am Montag in Düsseldorf über die Schilderungen von acht Frauen und Männern, die die Kirche in den vergangenen Wochen erreicht haben. Sie berichteten über körperliche Gewalt und Erniedrigungen in Einrichtungen der Landeskirche - Fälle, die 30 bis 50 Jahre zurückliegen. "Die Opfer verdrängen, damit sie damit leben können", sagte Oberkirchenrat Klaus Eberl.

Bosse-Huber zeigte sich erschüttert über die Vorfälle, die die Landeskirche "sehr ernst" nehme. Und sie entschuldigte sich im Namen der Kirche: "Wir sind beschämt und entsetzt, dass solche Übergriffe offenbar auch in Einrichtungen im Bereich unserer Landeskirche und ihrer Diakonie stattgefunden haben. Wir bitten die Opfer um Verzeihung." Bosse-Huber versicherte zugleich, dass allen Vorwürfen - auch möglichen weiteren - nachgegangen werde.

Nachgehen will die Landeskirche auch möglichen Vertuschungsfällen. Es habe an manchen Stellen offenbar "ein Klima der Vertuschung" gegeben, betonte Bosse-Huber. Dort habe die Einstellung vorgeherrscht, dass so etwas gar nicht möglich sei.

Anfang März war bereits bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen möglicher Misshandlungen von Behinderten in den Jahren 2007 und 2008 ermittelt. Die Vorwürfe richten sich gegen Mitarbeiter von Educon, einem Tochterunternehmen der zur Diakonie Rheinland gehörenden Graf-Recke-Stiftung. Mit diesem Verfahren haben aber die neuen Vorwürfe nach Angaben von Bosse-Huber nichts zu tun.

Seit 2003 gibt es in der mit rund 2,8 Millionen Mitgliedern zweitgrößten Landeskirche ein verbindliches Verfahren für den Umgang mit Missbrauchs-Vorwürfen. Dieses sieht einerseits eine seelsorgliche, psychologische oder therapeutische Hilfe für die Opfer vor, wie Petra-Hundhausen-Kelp, Juristin im zuständigen Frauenreferat der Landeskirche, erläuterte. Dieses Angebot stehe auch Opfern zur Verfügung, die bereits vor Jahrzehnten Missbrauch- und Gewalt-Erfahrungen gemacht hätten.

Hinzu komme die strafrechtliche und disziplinarische Verfolgung der Taten. Allerdings erstatte die Kirche nur dann automatisch Strafanzeige, wenn die Opfer Kinder und Jugendliche seien. Erwachsene Betroffene müssten selbst entscheiden, ob sie die Staatsanwaltschaft einschalteten.

In den vergangenen sieben Jahren wurden insgesamt 18 Fälle von Übergriffen durch Pfarrer und Mitarbeiter der Kirche erfasst. Drei Verfahren seien noch anhängig. In 13 Fällen wurden Sanktionen der Kirche bis zum Entfernen aus dem Dienst beziehungsweise Geld- und Haftstrafen durch Gerichte verhängt. Ein Verfahren sei eingestellt worden, eins endete mit Freispruch. In 20 weiteren Fällen hätten sich die Betroffenen gegen eine Strafverfolgung ausgesprochen.

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