Merkel im Kreuzfeuer der SPD

Zu zaghaft, zu schwach, zu ängstlich: Die Sozialdemokraten verschärfen ihre Vorwürfe gegen die Bundeskanzlerin.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel wirkte unversehrt, als sie im Bundestag ihre Regierungserklärung zu EU-Gipfel und Weltfinanzgipfel hielt. Aber sie hatte am Morgen bereits ein verbales Kreuzfeuer aus schweren sozialdemokratischen Geschützen erlebt. In drei Interviews in drei Zeitungen griffen SPD-Chef Franz Müntefering, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück die Kanzlerin an, und zwar in geordneter Aufstellung.

Die meiste Munition verbrauchte der SPD-Chef, etwas weniger der Kanzlerkandidat, und der Finanzminister blieb relativ sparsam. Müntefering reduzierte die Kanzlerin zur "Geschäftsführerin" der Großen Koalition. Ihre internationalen Auftritte seien "nicht glaubwürdig", wenn sie im Inland zulasse, dass Gesetze wie das gegen die Steuerflucht blockiert würden, sagte er der "Financial Times Deutschland". "Da nutzt keine Regierungserklärung, da nutzen keine Gipfelserien, wenn man nicht mehr mitzieht, sobald es konkret und ernst wird." Eine weitere Verschiebung des Gesetzes gegen die Steuerflucht sei nicht akzeptabel. "Sollte die Union da hinhaltend taktieren, gibt es Krach", warnte Müntefering. Wenn die Entscheidung jetzt nicht durchgezogen werde, "führen wir die Debatte darüber, dass die Union die Steuerhinterzieher schonen will". Es gehe um zweistellige Milliardenbeträge.

Auch die verhinderte Neuregelung der Jobcenter hat die SPD massiv verärgert. Dass Merkel in der Fraktion gegen den gemeinsamen Kompromissvorschlag von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gestimmt hat, bezeichnete Müntefering als unglaublichen Vorgang. "Die Kanzlerin hat gegen sich selbst gestimmt." Ihrem Vorgänger Gerhard Schröder hätte das nicht passieren können, wetterte Müntefering. "Der hätte einen Tisch umgeschmissen oder so irgendetwas, aber nie gesagt, dann stimme ich halt mit euch gegen meine bisherige Position und Überzeugung."

Für seine Verhältnisse milde äußerte sich Steinbrück: "Wenn der Kampf gegen Steuerhinterzieher mehr sein soll als eine Floskel, brauchen wir national wie international mehr Druck", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Wenn die Union dabei nicht mitziehe, werde die SPD das zum Thema im Wahlkampf machen.

Steinmeier kritisierte die Kanzlerin etwas indirekter, weil er sie nicht namentlich nannte, forderte aber eine mutige Führung "ohne Rückzieher bei Managergehältern, bei der Neuordnung der Finanzmärkte oder dem Austrocknen von Steueroasen".

Zu Merkels Auffassung, möglichst schnell zur Normalität zurückzukehren, sagte er der "Berliner Zeitung": "Wer glaubt, diese Krise sei nur ein Betriebsunfall, der irrt gewaltig. Sie ist ein historischer Einschnitt, der unser Denken und Handeln in vielen Dingen des Lebens verändern wird." Ein Zurück zum globalen Börsen-Casino werde es nicht geben.

Merkel ließ sich im Bundestag wenig anmerken und beschwor die Gemeinsamkeiten der Koalition im Kampf gegen die Krise. Ungewöhnlich scharf wurde sie auch vom angeblichen Wunschpartner für die nächste Regierung angegriffen. FDP-Chef Guido Westerwelle hielt Merkel vor, dass die "Koalitionszerrüttung" deutsche Interessen auch auf internationaler Ebene beschädige. "Sie haben ihren Kompass in der Regierung verloren." Wer sich in Europa einigen wolle, müsse zumindest in der eigenen Regierung zur Einigung fähig sein.

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