Liberales Urgestein Zum Tode von Burkhard Hirsch – Ein Kämpfer für die Bürgerrechte

Düsseldorf · Das liberale Urgestein ist am Mittwoch im Alter von 89 Jahren gestorben. Nach der politischen Laufbahn nahm Burkhard Hirsch erst recht Einfluss – durch seine Klagen beim Bundesverfassungsgericht.

 Burkhard Hirsch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2018. Am Mittwoch ist der FDP-Politiker im Alter von 89 Jahren gestorben.

Burkhard Hirsch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2018. Am Mittwoch ist der FDP-Politiker im Alter von 89 Jahren gestorben.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Vor knapp zwei Jahren wurde im nordrhein-westfälischen Landtag monatelang in Ausschusssitzungen, Expertenanhörungen und Plenardebatten über das später verabschiedete Polizeigesetz gestritten. Und sehr oft saß da ein älterer Herr auf einem der Zuschauerplätze. Mitzureden und mitzubestimmen hatte er nicht. Doch der Mann ohne Mandat machte sich Notizen. Viele Notizen. Und seine Parteifreunde von der FDP, in Regierungskoalition mit der CDU und daher mitverantwortlich dafür, wie die zusätzlichen erweiterten Rechte der Polizei aussehen würden, wussten sehr wohl: Burkhard Hirsch schaut uns auf die Finger. Er achtet genau darauf, dass wir den Ruf der FDP nicht verspielen, eben nicht nur marktliberal, sondern auch liberal in Sachen Bürgerrechte zu sein. Die Anwesenheit der am Mittwoch im Alter von 89 Jahren verstorbenen grauen Eminenz dürfte mit dazu beigetragen haben, dass die Polizeirechte in Nordrhein-Westfalen am Ende nicht so stark ausgeweitet wurden wie dies ursprünglich geplant war.

Leise Überzeugungsarbeit statt öffentlicher Kritik

Auch in andere Parteien wirkte der alte Herr mit seinen damals 87 Jahren hinein. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte kürzlich in einem Gespräch mit Journalisten, auch er habe sich unter vier Augen von Hirsch dessen Bedenken gegen das Polizeigesetz erläutern lassen. Während sich Gerhart Baum, Parteifreund und jahrzehntelang Mitstreiter von Hirsch, in öffentlichen Beiträgen zornig und verbittert zu den Gesetzesplänen äußerte, lehnte Hirsch damals eine Interviewanfrage dieser Zeitung ab. Er wolle, so sagte er damals, öffentlich kein Porzellan zerschlagen und lieber leise Überzeugungsarbeit leisten. Was ihm denn auch zumindest teilweise gelang.

Doppelinterview: Das Urgestein und der dynamische Parteichef

Fast schon ein wenig schüchtern wirkte der junge und doch so selbstbewusste FDP-Parteichef Christian Lindner, als diese Zeitung ihn und den alten FDP-Granden im März 2016 zum Doppelinterview eingeladen hatte. Die Parteifreunde siezten sich, versicherten sich ein wenig verkrampft ihrer gegenseitigen Wertschätzung. Ließen sich respektvoll ausreden. Und es passte zu Burkhard Hirsch, dass er auf die Frage der Redaktion, an welche Mailadresse ihm der Interviewtext zur Autorisierung zugeschickt werden solle, antwortete: „Nicht per Mail, bitte per Telefax.“ Der Übermittlungsform E-Mail traute der Kämpfer für den Datenschutz und gegen die Vorratsdatenspeicherung nicht über den Weg. Die Fax- und Postadresse dieser Zeitung war dem Düsseldorfer ohnehin vertraut. Wenn ihm eine Richtung in der Kommentierung nicht passte oder er auf sachliche Fehler hinweisen wollte, meldete er sich immer wieder – mit manchmal durchaus zornigen Leserbriefen oder granteligen Anrufen in der Redaktion.

 Burkhard Hirsch und Christian Lindner beim Doppelinterview 2016 in der Redaktion dieser Zeitung.

Burkhard Hirsch und Christian Lindner beim Doppelinterview 2016 in der Redaktion dieser Zeitung.

Foto: Melanie Zanin

Dauerticket für die Klägerbank beim Bundesverfassungsgericht

Auch nach seiner aktiven Zeit als Politiker – im Düsseldorfer Stadtrat, als Bundestagsabgeordneter und als nordrhein-westfälischer Innenminister – nahm Hirsch großen politischen Einfluss. Er hatte gewissermaßen ein Dauerticket für die Klägerbank beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Wie seine beiden liberalen Mitstreiter, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum und Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, setzte sich der Düsseldorfer Rechtsanwalt immer wieder für den Schutz demokratischer Bürgerrechte ein und ging gegen staatliche Überwachungsmaßnahmen vor – vom Großen Lauschangriff bis zur Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung. Auch brachte er mit seiner Klage in Karlsruhe eine Vorschrift des Luftsicherheitsgesetzes zu Fall, die bei einem vermuteten Terrorangriff den Abschuss eines zivilen Flugzeuges durch die Bundeswehr erlaubt hätte. Eine Thematik, die vielen Menschen durch das Theaterstück „Terror“ von Ferdinand von Schirach vertraut ist.

Gerhart Baum würdigte seinen ihm politisch eng verbundenen Weggefährten, mit dem er vor ein paar Jahren ein Buch mit dem wunderbaren Titel „Der Baum und der Hirsch“ herausbrachte, am Donnerstag so: „Ich fühle mich jetzt politisch einsamer. Burkhard Hirsch hat Spuren hinterlassen in unserer Gesellschaft.“ Und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Dritte in dem Bürgerrechtstrio der FDP, das jetzt nur noch ein Duo ist, nannte Hirsch eine „Ikone des liberalen Rechtsstaats“. Sein Liberalismus bleibe ein Vorbild für junge Generationen, die sich für Bürgerrechte und einen umfassenden Liberalismus einsetzen.

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