Schule in NRW Wissenschaftler fordern einen späteren Unterrichtsbeginn

Studien kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass ein späterer Unterrichtsbeginn vor allem für Jugendliche besser wäre. Generell aber für Nachteulen. Dem widersprechen vor allem Eltern.

Vor allem ältere Schüler sind morgens noch nicht wach.

Vor allem ältere Schüler sind morgens noch nicht wach.

Foto: dpa

Düsseldorf. Das neue Schuljahr naht, und so mancher Jugendliche denkt mit Sorge daran, dass er ab nächster Woche wieder früh aufstehen muss - um doch nur müde in der Schulbank zu sitzen. Sozusagen Unterricht, wenn die innere Uhr noch auf Nacht steht. „Jugendliche fallen in der ersten Unterrichtsstunde immer wieder in einen Mikroschlaf“, weiß Till Roenneberg. Der Psychologe an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität plädiert für einen späteren Unterrichtsbeginn und spricht damit so manchem Schüler aus dem Herzen.

Für Roenneberg bestimmt die innere Uhr eines Menschen Schlaflänge und Aufstehzeit. „Über 80 Prozent der Bevölkerung kann daher an Arbeitstagen nur mit Wecker rechtzeitig wach werden.“ Eine Studie des Pädagogen Christoph Randler habe bewiesen, dass sogar der Abitur-Erfolg vom Chronotyp (Frühaufsteher/Lerche oder Langschläfer/Eule) abhängt.

Auch für den Hamburger Neurobiologen und Wissenschaftsautor Peter Spork („Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft“) liegt ein „Schulbeginn um acht Uhr morgens noch mitten in der Nacht“. Er warnt, dass chronischer Schlafmangel, „krank, dick, reizbar, zappelig und dumm“ mache und fordert aus Gerechtigkeitsgründen Klausuren erst um 12 Uhr, weil dann „alle Schüler im mentalen Leistungshoch“ und ausgeschlafen seien. Verschiedene Studien - unter anderem der Universität Basel - geben den beiden Recht. Und betonen den Unterschied zwischen jungen und älteren Schülern: Der Schlaf- und Wachrhythmus und damit auch die Konzentration- und Lernfähigkeit verschiebe sich im Teenager-Alter nach hinten.

Das Schulministerium NRW kennt die Botschaft - und bietet einen Zeitkorridor für den Unterrichtsbeginn an: 7.30 bis 8.30 Uhr. „Die Schulen haben da Gestaltungsspielraum. Sie müssen sich ja auch mit der Situation vor Ort auseinandersetzen“, erklärt eine Sprecherin. Und meint zum Beispiel die Arbeitszeiten der Eltern, den Schulbusverkehr, die Kooperation benachbarter Schulen, die alle aufeinander abgestimmt werden müssen.

Die Gewerkschaft der Lehrer (GEW) im Land begrüßt die morgendliche Zeitöffnung und macht auf Folgen einer Verschiebung - wie eine Betreuungslücke für arbeitende Eltern - aufmerksam: „Das bedeutet mehr Unterricht am Nachmittag“, erklärt die Vorsitzende Dorothea Schäfer. Das sei für Ganztagsschulen kein Problem, wohl aber für Halbtagsschulen: „Beim Runden Tisch zu G 8/ G 9, bei dem Eltern, Musik- und Sportvereine und andere beteiligt waren, ging es immer nur darum, den Nachmittagsunterricht zu reduzieren.“ Niemand habe sich für einen späteren Schulbeginn ausgesprochen. Die Lehrer selbst stehen einer Verschiebung durchaus offen gegenüber, meint Schäfer. Allerdings dürfte die Stunde nicht nur verlagert werden, es sei eine vernünftige Organisation nötig.

Eine klare Absage kommt vom Elternverein NRW. Vorsitzende Regine Schwarzhoff sagt: „Wir denken, dass ein Schulbeginn um 8 Uhr angemessen ist.“ Allerdings müsse das Land auch dafür sorgen, dass genügend Schulen zur Verfügung stehen, damit die Schulwege nicht zu lang werden, und müssen Eltern ihren Kindern einen geregelten Tagesablauf ermöglichen: „Die Kinder müssen früh ins Bett und schlafen, damit sie am nächsten Morgen fit und aufnahmefähig sind.“

Werner Wiater, Schulpädagoge an der Universität Augsburg, hält sogar einen früheren Schulbeginn für sinnvoll, da er berufstätigen Eltern entgegenkomme, und erklärt müde Schüler mit Schulproblemen damit, dass sie — der digitalen Kommunikation wegen — immer später ins Bett gehen.

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