Streit „Erlaubter“ Eigenbedarf - Wird die Drogenpolitik in NRW Vorbild für Berlin?

Düsseldorf · In Berlin wird diskutiert, die in NRW praktizierte Regelung anzuwenden: Auch Besitz geringer Mengen harter Drogen bleibt unter Umständen straffrei. Begründung: Konzentration auf Drogen-Dealer.

 Bei Haschisch liegt die Eigenverbrauchsmenge bei 10 Gramm.

Bei Haschisch liegt die Eigenverbrauchsmenge bei 10 Gramm.

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Drogentoten tobt im rot-rot-grünen Berlin seit Wochen ein politischer Streit um die „richtige Drogenpolitik“. Es wird darüber diskutiert, auch für harte Drogen eine Eigenbedarfsregelung zu schaffen, die den Konsum bis zu einem gewissen Maß straflos ließe. Dabei wird immer wieder auch nach Nordrhein-Westfalen geschielt. Wenn nämlich darüber nachgedacht wird, den § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes, die Regelung zum unter Umständen tolerierten Eigenbedarf, so weit auszulegen, wie man das in NRW macht. Die CDU-Opposition in Berlin geißelt solche Vorschläge und attackierte die Regierenden  via Twitter: „Koalition der Kiffer. Macht Regieren nicht besser. Sondern breiter.“ Nun regiert bekanntlich auch in NRW die CDU (mit der FDP). Und hier ist man in dieser Frage durchaus liberaler als es die Parteifreunde in Berlin sind.

Darum geht es: Nach § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes kann die Staatsanwaltschaft sogar ohne Zustimmung des Gerichts von der Strafverfolgung absehen, wenn der mit dem Rauschgift Ertappte dieses nur zum Eigenverbrauch und nur in geringer Menge besitzt. Die Vorschrift gilt bundesweit, doch in den einzelnen Ländern wird sie unterschiedlich gehandhabt.

In Berlin wird nur der Cannabis-Besitz bis zu einer Menge von 15 Gramm als Eigenbedarf angesehen. Geht es etwa um Kokain, kann der damit Ertappte nicht mit einer Einstellung des Verfahrens nach dem Betäubungsmittelgesetz rechnen. In Berlin müsse der Paragraf wie in anderen Bundesländern auch auf andere Drogen, insbesondere auf Kokain angewendet werden, fordern Kriminalisten. Diejenigen zu verfolgen, die nur konsumieren, binde viele Kräfte, die man eigentlich zur Verfolgung der Dealer, der Rauschgifthändler, benötige.

Die Eigenverbrauchs-Regelung
in Nordrhein-Westfalen

In NRW gibt es bereits seit 1994 einen gemeinsamen Runderlass von Justiz- und Innenministerium. Danach wird die Eigenbedarfsregelung und damit eine mögliche Straflosigkeit des mit Rauschgift Erwischten auf verschiedene Drogen angewandt. Nämlich, wenn der Ertappte maximal die folgenden Mengen bei sich hat: Haschisch und Marihuana: 10 Gramm.  Bei Heroin, Kokain und Amphetamin liegt die Höchstmenge für die Anwendung des Eigenverbrauchsparagrafen bei je 0,5 Gramm.

Staatsanwältin: Es gibt keinen Anspruch auf Straffreiheit

Hilal Tanrisever, die bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf intensiv mit der Bekämpfung von Drogenkriminalität befasst ist, betont allerdings, dass die Richtlinie keinen Automatismus bedeutet. „Wir erleben es immer wieder, dass Menschen, die mit Drogen angetroffen werden, sagen: Ihr könnt mir nichts, ich weiß, dass ich diese Menge haben darf. Das ist Eigenbedarf“. So sei es gerade nicht, betont Tanrisever. „§ 31 a Betäubungsmittelgesetz ist eine Ermessensvorschrift. Sie betrifft überwiegend Konsumenten, die Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch und ohne Fremdgefährdung besitzen. Der Paragraph gibt mit Rauschgift Angetroffenen nicht etwa einen Rechtsanspruch auf Einstellung.“

Die Staatsanwältin verweist auch darauf, dass gerade Personen, die häufiger mit unerlaubten Betäubungsmitteln unter der Eigenbedarfsgrenze angetroffen werden, nicht auf eine Einstellung des Verfahrens zählen dürfen. „Es geht hier ja nicht darum, Betäubungsmittel zu legalisieren, sondern darum, der Pönalisierung des therapiebedürftigen Betäubungsmittelkonsumenten durch die Strafverfolgung zu begegnen und zugleich die Ermittlungsbehörden zu entlasten, um ihre Ressourcen auf den professionellen Betäubungsmittelhandel konzentrieren zu können.“

Mit Blick auf die Gerichte, bei denen die von der Staatsanwaltschaft eingestellten Fälle erst gar nicht ankommen, sieht Tanrisever die Entlastung auf jeden Fall als gegeben an. Ebenso bei der Staatsanwaltschaft. Allerdings, so sagt sie, müsse die Polizei die Delikte ja trotzdem aufnehmen, den mit Drogen Angetroffenen vernehmen, die Drogen wiegen etc. Auf dieser Ebene gebe es durch den § 31a Betäubungsmittelgesetz wohl kaum einen Entlastungseffekt. „Die Pflicht zur Aufnahme der Strafanzeige und einer Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.“

Justizminister Biesenbach: In erster Linie den Dealer verfolgen

Auch NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) betont, dass die Vorschrift zum Eigenbedarf und deren im Vergleich zu Berlin weitere Auslegung keinesfalls missverstanden werden dürfe. Gegenüber dieser Zeitung sagte der Minister: „Mit mir gibt es grundsätzlich keine Aufweichung des Betäubungsmittelstrafrechts. Die immer wieder mal zur Diskussion gestellte Legalisierung leichter Drogen ohne medizinische Indikation lehne ich insbesondere wegen der möglichen physischen und psychischen Folgen langandauernden Konsums ab.“ In NRW konzentriere man sich aber bei den strafrechtlichen Ermittlungen auf die Bekämpfung des Handeltreibens und nicht auf den Besitz des Kleinkonsumenten. „Wir wollen in erster Linie den Dealer verfolgen, nicht den ansonsten ungefährlichen Abhängigen“, sagt Biesenbach.  Genau diese Schwerpunktsetzung ermögliche die Erlasslage in NRW den  Staatsanwälten.

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