WDR WDR: Per Gesetz außer Kontrolle

Ab Mittwoch berät der Landtag über ein neues WDR-Gesetz. Versprochen hat die Landesregierung eine Stärkung der Gremien und mehr Transparenz — tatsächlich plant sie das genaue Gegenteil.

Ein Fixpunkt neben dem Kölner Dom: Der WDR ist die größte und einflussreichste ARD-Anstalt.

Ein Fixpunkt neben dem Kölner Dom: Der WDR ist die größte und einflussreichste ARD-Anstalt.

Foto: Oliver Berg

Düsseldorf/Köln. Das neue Gesetz für den WDR — immerhin eine Anstalt öffentlichen Rechts mit fast 5000 Beschäftigten, finanziert mit jährlich mehr als 1,3 Milliarden Euro aus Zwangsabgaben — sei den Grundsätzen von „Transparenz und Partizipation verpflichtet“, verkündete die scheidende NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) bei der Vorstellung des Entwurfs vor 14 Tagen. Das Gesetz trage dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger Rechnung, mehr „in die Gestaltung ,ihres WDR‘ miteinbezogen“ zu werden.

Dass wenigstens der Opposition aus CDU, FDP und Piraten im Düsseldorfer Landtag aufgefallen wäre, dass die Landesregierung das genaue Gegenteil plant, ist nicht bekannt. Formal wird der WDR bislang von einem „Rundfunkrat“ kontrolliert, in dem alle „relevanten gesellschaftlichen Gruppen“ vertreten sein sollen. Die Gebührenzahler haben auf die Zusammensetzung keinen Einfluss. Die Mitglieder sind nicht gewählt, sondern werden ernannt und entsandt. Bürgerinnen und Bürger werden auch künftig nicht einbezogen, es können sich lediglich zu den bereits vertretenen Lobbyisten sieben weitere Gruppierungen bewerben. Über deren Zulassung entscheidet der Landtag.

Muslimische Vertreter bleiben im Rundfunkrat außen vor Zu den vorbestimmten Mitgliedern des Rundfunkrats gehören zum Beispiel die Kirchen oder der Lippische Heimatbund, Naturschützer, Beamtenvertreter, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften. Neu in der Runde sollen laut Gesetzentwurf Vertreter von Lesben- und Schwulenverbänden sein, wogegen Muslime weiterhin nicht vorgesehen sind. Das Gremium soll jedoch künftig auf 58 Mitglieder aufgebläht werden. Von Medienrecht oder journalistischem Handwerk müssen sie nichts verstehen, die rabiate Vertretung ihrer Lobbyinteressen reicht.

Wohin das führt, konnten Fernsehzuschauer jüngst beobachten, als Frank Plasberg eine „Hart aber fair“-Sendung faktisch wiederholen musste, weil dem „Deutschen Frauenrat“ das Ergebnis einer Gender-Debatte nicht passte. Dieses Gremium vertritt nicht die Zuschauer, sondern ausschließlich sich selbst. Ernst genommen wird es aber ohnehin nicht einmal vom Gesetzgeber.

Der denkt nicht im Traum daran, diesem Rundfunkrat die Kontrolle über den WDR zu überlassen. Er soll künftig zwar ganz im Sinne der Transparenz öffentlich tagen, aber möglichst seltener (sechs statt bislang acht Sitzungen jährlich sind vorgeschrieben). Die Mitglieder erhalten dafür monatlich 1000 Euro, zusätzlich gibt es 200 Euro Sitzungsgeld und Extra-Zahlungen für die Übernahme von Vorsitzen, Vize-Vorsitzen oder Ausschusstätigkeiten.

Zwei wichtige Kompetenzen will die Landesregierung dem Rundfunkrat wegnehmen: Er soll nicht mehr den Jahresabschluss feststellen, und auch der Geschäftsbericht soll ohne seine Genehmigung auskommen. Diese entscheidenden Kontrollen sollen auf den Verwaltungsrat übertragen werden. Dort kann künftig nur Mitglied werden, wer entsprechende Ausbildungen vorweisen kann: So muss ein Betriebswirtschaftler dazugehören, ein Wirtschaftsprüfer, ein Informationstechnologe, ein Personalwirtschaftler und mindestens zwei Juristen mit der Befähigung zum Richteramt.

Faktisch erhält der Verwaltungsrat die vollständige Finanz- und Personal-Kontrolle über den WDR. Stimmt der Verwaltungsrat beispielsweise den Wahlen des Rundfunkrats für bestimmte Leitungsjobs nicht zu, gibt es keine Verträge. Was das mit Transparenz und Partizipation zu tun haben soll, wird wohl das Geheimnis der Landesregierung bleiben.

Ein verbindliches Regelwerk soll es weiterhin nicht geben Der Gesetzentwurf sieht zudem auch keinerlei Stärkung der Zuschauerrechte oder die Kon-trolle professioneller journalistischer Standards vor. Zuschauer können sich beim Intendanten beschweren; der kann die Beschwerde behandeln oder auch nicht. Darüber können sich die Zuschauer beim Rundfunkrat beschweren, der darauf reagieren oder es lassen kann. Ein verbindliches ethisches und professionelles Regelwerk, auf das sich zum Beispiel die rein privatrechtlich finanzierten Tageszeitungen im sogenannten „Pressecodex“ geeinigt haben, soll es für die größte und einflussreichste ARD-Anstalt weiter nicht geben.

Während sich alle Leserinnen und Leser jederzeit an den Deutschen Presserat und seine Beschwerdeausschüsse wenden können, wenn sie der Meinung sind, dass Zeitungen gegen den derzeit 16 Artikel umfassenden Pressecodex verstoßen, ist eine vergleichbare unabhängige und freiwillige Selbstkon­trolle des WDR nicht vorgesehen. In der Kombination mit der lobbyistischen Hereinquatscherei des Rundfunkrats sind der weiteren Entprofessionalisierung des WDR-Programms damit Tür und Tor geöffnet. Welchen Mischmasch aus Meinung und Behauptung der WDR teils heute schon statt handwerklich sauberer Nachrichten verbreitet, ist ein journalistisches Trauerspiel.

Ein interessantes Detail des Gesetzes: Entgegen aller politischen Ratschläge soll der WDR trotz seiner üppigen Finanzierung durch den Zwangsrundfunk-Beitrag — von den monatlich 17,50 Euro gehen 7,61 Euro direkt an die Kölner Anstalt — auch künftig nicht auf Werbeeinnahmen verzichten und noch nicht einmal seine Werbezeiten beschränken. Der NDR kommt mit 60 Minuten am Tag aus, der WDR verlangt weiter 90. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, weil Werbung nur 2,3 Prozent (2015: 31,8 Millionen Euro) am Budget des Senders ausmacht, er also sensationell erfolglos in der Vermarktung seiner verfügbaren Werbezeit ist.

Die Erklärung: Auch im neuen Gesetz stellen diese Einnahmen den Topf dar, mit dem der Intendant weitgehend ohne Kontrolle durch den Rundfunkrat gestalten darf. Aus diesem Topf hatte Tom Buhrows Vorgängerin Monika Piel die Gottschalk-Pleite der ARD an den Gremien vorbei finanziert. Die Kontrollgrenze soll auch künftig erst bei zwei Millionen Euro liegen. Auf dieses Spielgeld will offenbar auch Tom Buhrow nicht verzichten. Denn man darf davon ausgehen, dass im Gesetzentwurf der Landesregierung rein gar nichts steht, was nicht mit dem Senderchef abgestimmt wurde.

Die Welt des WDR wird immer mehr zum geschlossenen System Dazu dürfte auch die künftige Finanzierung des Grimme-Instituts durch den WDR gehören. Die Preise, die der WDR sich dort jährlich verleihen lässt, zahlt er praktischerweise künftig gleich selbst. So wird die WDR-Welt immer mehr zu einem geschlossenen System. Thematisch regiert der Proporz statt Relevanz, Experten-Interviews führt der WDR am liebsten mit sich selbst, das Programm besteht zu großen Teilen aus Werbung für WDR-Veranstaltungen, über die dann wiederum der WDR berichtet. So schließt sich der Kreis.

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