Warum der Krieg nicht Krieg heißen darf

Minister Jung meidet das Wort, um keine Probleme mit dem Völkerrecht zu bekommen.

Düsseldorf. Wenn Panzerverbände vorrücken, Kanonen donnern und Jagdbomber Angriffe fliegen, nennen wir das Krieg. Nicht so allerdings, wenn all das in Afghanistan stattfindet und wir Mitglied der Bundesregierung sind.

Dann suchen wir unser Heil in allerlei sprachlichen Verrenkungen, sprechen - wie Verteidigungsminister Jung (CDU) - von einem "Stabilisierungseinsatz", nennen die Militäraktion eine "Aufbau-Mission" und versichern, bei dem Gegner, dem hier mit der Hightech-Armee des 21. Jahrhunderts begegnet wird, handele es sich um "Kriminelle", "Verbrecher" oder "Terroristen". Doch all diese verbalen Konstrukte dienen nur einem Ziel: das Wort Krieg zu vermeiden.

Acht Jahre nach Beginn dieses Krieges begannen viele schon am Realitätssinn eines Verteidigungsministers zu zweifeln, der sich lange geweigert hatte, im Kampf getötete Soldaten "Gefallene" zu nennen. Doch die Weigerung, den Krieg auch Krieg zu nennen, hat einen wichtigen politischen Grund: Es fehlt eine völkerrechtliche Grundlage, die einen Krieg tatsächlich legitimiert.

Im Dezember 2001, zwei Monate nach den Anschlägen vom 11. September, billigte der UN-Sicherheitsrat die nach dem Petersberger Abkommen von den USA eingesetzte afghanische Regierung Karsai. Und er ermächtigte eine von den USA geführte Koalition zum Schutz dieser Regierung. Dieses Mandat wurde von 2002 an jedes Jahr verlängert.

Und es bildet auch die Grundlage, auf der vom Bundestag der Bundeswehreinsatz Jahr für Jahr fortgeschrieben wird. Diese UN-Resolution Nr. 1.386 legitimiert aber keinen Krieg, sondern nur die "Unterstützung" eines fiktiv souveränen Staates. Deshalb vermeiden wir das Wort Krieg.

In gewisser Weise widerspricht das der Tatsache, dass die Nato 2001 den Bündnisfall ausgerufen hat. Der besteht bis heute und behauptet, der Einsatz in Afghanistan sei noch jetzt, acht Jahre später, "Selbstverteidigung" gegen einen andauernden Angriff auf die USA.

Dieser Einsatz, die US-Operation "Enduring freedom", stützt sich auf die am 12. September 2001 verabschiedete UN-Resolution Nr. 1.368, die den Anschlag als "Bedrohung des Weltfriedens" einstufte und alle Staaten ermächtigte, die Urheber (El Kaida) zu ergreifen und vor Gericht zu stellen. Obwohl eine Ermächtigung zum Krieg fehlte, leiteten die USA daraus das Recht zur "Selbstverteidigung" ab. Dass damit der Angriff auf Afghanistan legitimiert wurde, ist unter Völkerrechtlern umstritten.

Heute stehen Isaf und "Enduring Freedom" unter einheitlichem US-Kommando. Und die Realität lässt keinen Zweifel: In Afghanistan führen wir Krieg. Wir nennen ihn nur nicht so.

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