Uni-Dozent Gabriel streitet jetzt mit Studenten in Bonn
Der Ex-SPD-Chef und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel hält an der Uni Bonn die Antrittsvorlesung — von einigen Protesten begleitet.
Bonn. „Gegen Iran-Siggi, für Israel“ steht auf dem Transparent, dass einige Studenten im Hörsaal 1 der Universität in Bonn von der Empore baumeln lassen. Unten steht lächelnd „Siggi“ Gabriel, Außenminister außer Dienst und SPD-Kopf und Stratege im Ruhestand. Er blickt hinauf, lächelt, verlässt sein Manuskript — und erreicht also Höchstform. Waffen an die Türkei? Zusammenarbeit mit Putin? Die vom Balkon geschmetterten Zurufe sind nur Nahrung für Gabriels Streitlust.
„Wenn Sie sich mit mir anlegen, dann müssen sie meine Antwort aushalten“, sagt Gabriel, und während die Studenten ihre Flugblätter in den Raum werfen, auf denen „Siggi“ nunmehr „Waffen-Siggi“ heißt und gegen eine „konsequente Friedenspolitik“ arbeitet, handelt der 58-Jährige schnell die Vorwürfe ab: Er habe Isreal oft besucht und Auschwitz-Leugner wie Opfer in seiner Familie. „Aber Kritik an Israel lasse ich mir nicht verbieten.“ Ein scheiterndes Atomabkommen mit dem Iran wäre ein fatales Signal an andere Nationen wie Nordkorea. Und die Bindungen an die Türkei von EU und Deutschland dürften nicht gekappt werden.
Die Welt kann einfach sein: „Gegen Iran-Siggi. Für Israel“ steht auf dem Plakat. Foto: dpa
„Die Welt ist nicht mehr nur nach moralischen Kategorien zu vermessen“, sagt Gabriel und gesteht, dass sein Jahr als Außenminister der Bundesrepublik sein lehrreichstes gewesen sei. Zentrale Erkenntnis: „In einer Welt von Fleischfressern hat man es als Vegetarier nicht leicht.“ Am Vortag hatte es Currywurst auf Schalke gegeben, Gabriel war in der Gazprom-Loge von Altkanzler Gerhard Schröder zu Gast.
So erklärt sich der Realpolitiker aus Goslar, der als Göttinger Student und Vorstand der SPD-Jugendorganisation „Die Falken“ im Bonner Hofgarten Anfang der 1980er Jahre nach eigener Aussage noch die Transparente gehalten hat und passionierter Biertrinker gewesen ist. Und er gesteht auf Nachfrage: Den höchst realpolitischen Gabriel, den er am Montag bei seiner Eröffnungsvorlesung „Europa in einer unbequemeren Welt“ präsentierte — Gabriel wird an der Bonner Universität als Gastdozent ab dem 7. Mai ohne Bezahlung ein Sommersemester-Seminar mit 40 Studierenden abhalten — „gegen den hätte ich als Student natürlich gegen mich demonstriert. Es wäre doch schlimm, wenn die jungen Leute so realpolitisch wären wie wir. Die müssen uns doch herausfordern.“
Die Kritiker von vom Balkon also sollten in sein Seminar kommen, empfahl Gabriel. Und als die junge Dame mit den roten Haaren erwiderte, sie sei nicht mehr aufgenommen worden, entgegnete das heutige Bundestagsmitglied: „Dann trage ich Sie persönlich ein und hole Sie am Eingang ab.“