Analyse Tierschutz - Videokameras sollen Leid der Tiere im Schlachthof aufdecken

Düsseldorf · Heimliche Aufnahmen von Tierschützern in einem Schlachthof hatten Erschreckendes zu Tage gebracht. Am Mittwoch wird im NRW-Landtag über ein Kameraüberwachungssystem debattiert.

 Die Zustände in vielen Schlachthöfen stehen in der Kritik.

Die Zustände in vielen Schlachthöfen stehen in der Kritik.

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Auf Bundesebene ist NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) bereits vorgeprescht. Als sie sich am vergangenen Freitag mit ihrer niedersächsischen Amtskollegin und Parteifreundin Barbara Otte-Kinast im Bundesrat für ein bundesweit geltendes „kameragestütztes Überwachungssystem“ in Schlachthöfen einsetzte. An diesem Mittwoch will sich Heinen-Esser ihr Vorgehen nun nachträglich vom NRW-Landtag absegnen lassen.

Dass der Staat per Video das Geschehen in Schlachthöfen mitverfolgen will, hat etwas mit anderen – heimlich aufgenommenen – Videoaufnahmen von Tierschützern zu tun. Die hatten erschreckende Zustände ans Licht gebracht: Kühe, die nicht mehr laufen konnten und vor der Schlachtung mit einer Seilwinde über den Boden geschleift wurden. Schweine, die mit Elektroschockern zur Schlachtung getrieben werden. Mangelhafte Betäubungen.

Tierschutz dürfe nicht im Stall aufhören, heißt es nun in der Vorlage von CDU und FDP für die Debatte im NRW-Landtag. In „besonders tierschutzrelevanten Bereichen“ eines Schlachthofes – da, wo es um die Entladung der Tiere geht, um ihren Zutrieb zur Schlachtung, die Betäubung und um die Entblutung – soll ein Kameraüberwachungssystem installiert werden. Und zwar vom Schlachthofbetreiber selbst, der die Aufnahmen den amtlichen Kontrolleuren auf Anforderung zur Verfügung stellen muss.

Kritiker halten Zeitdruck in den Schlachthöfen für Hauptproblem

An den Plänen gibt es bereits Kritik – etwa datenschutz- und arbeitsrechtliche Bedenken (siehe Kasten „Privatsphäre“). Vor allem in Niedersachsen ist die Diskussion wegen dort bekannt gewordener erschreckender Zustände bereits heftig geführt worden. Miriam Staudte, Grünen-Abgeordnete im Hannoveraner Landtag, kritisiert, dass die Kameras von den Schlachthöfen selbst installiert werden sollen. So werde der Bock zum Gärtner gemacht. Wenn der Betrieb Zugriff auf diese Aufnahmen habe, könne er unliebsame Szenen löschen. Solchen Bedenken könnte dadurch entgegengewirkt werden, dass amtliche Veterinäre jederzeit die Möglichkeit hätten, sich von außen in die Kamerasysteme zuzuschalten.

Doch auch Freddy Adjan, Vize-Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), kritisiert die Pläne als völlig unzureichend. „Mit dem Filmen des Leids der Tiere kommt man dem Tierschutz keinen Schritt näher. Die Videoüberwachung ist ein Placebo. Notwendig ist es, die tatsächlichen Ursachen der Tierschutzskandale zu beseitigen.“ Diese lägen darin, dass Schlachthöfe die Aufträge an Subunternehmen vergeben. Deren meist aus Osteuropa stammenden Werkvertragsbeschäftigten arbeiteten die Aufträge unter hohem Leistungsdruck ab, nachdem sie oft nur einen Schnellkurs erhielten. So seien Verstöße gegen den Tierschutz programmiert, so Adjan.

Staudte schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Bezahlung der Arbeiter, die diese schwierige, psychisch belastende Arbeit machen müssen, darf doch nicht nach dem Prinzip der Schnelligkeit erfolgen. Hier werden keine Maschinen zusammengebaut. Hier geht es um lebende Tiere. Vom Abtrieb in die Betäubungsbox bis ein Rind am Haken hängt, dauert es derzeit eine Minute. Das ist abartig.“ Unter Zeitdruck könne man keinen Tierschutz einhalten. Jeder Arbeiter, der den Tötungs- und Schlachtvorgang verzögere, trage dazu bei, dass er und seine Kollegen in dieser Schicht weniger Tiere abfertigen, also auch weniger verdienen.

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