Seiteneinsteiger: Vom Software-Entwickler zum Lehrer
Im Kampf gegen den Lehrkräftemangel sind 2017 über 500 Seiteneinsteiger an den Schulen in NRW eingestellt worden. Ein Quereinsteiger berichtet von seinen Erfahrungen.
Düsseldorf/Dülken. So entspannt ist Oliver Coenen zu Beginn seiner Laufbahn als Seiteneinsteiger an einem Gymnasium nicht immer vor eine voll besetzte Schulklasse getreten. Die Ansprache des 49-Jährigen ist zackig, aber freundlich. „Die Zeit läuft“, sagt er nach einer kurzen Wiederholung der letzten Informatikstunde. Eine auf eine Leinwand projizierte Sanduhr zeigt die Arbeitszeit an: Die Schüler haben 20 Minuten. Es geht um die Grundlagen einer Programmiersprache.
Oliver Coenen hat Zeit, über seinen Quereinstieg am Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken am Niederrhein zu sprechen. Es war ein Neuanfang mit Mitte 40. Er hat drei Kinder, muss ein Haus abbezahlen. „Der Stress ist nicht zu unterschätzen“, sagt er heute mit Blick auf die ersten beiden Jahre an der Schule. Während des zweijährigen Vorbereitungsdienstes gibt er pro Woche 18 Stunden Unterricht in der Schule, hat danach sechs Stunden Theorie. Dazwischen müssen Unterricht vorbereitet und Zwischenprüfungen bestanden werden.
Ein Blick zurück. Oliver Coenen hat Erdkunde und Informatik studiert, einen Doktortitel in der Tasche und in einem Softwareunternehmen gutes Geld verdient. Als er dort gerade befördert werden sollte, orientierte sich der 49-Jährige neu. Zielvorgaben und Druck aus der Chefetage wollte er hinter sich lassen. Coenen, der schon an einer Uni gelehrt hat, fing bei einem Internat an und wurde stellvertretender Leiter. Als die Zukunft des Internats auf der Kippe zu stehen scheint, musste er sich erneut umorientieren.
Coenen schwirrte vor allem zu Beginn seiner Ausbildung zum Lehrer immer wieder eine Frage im Hinterkopf herum: „Schaffe ich das?“ Nach den ersten Monaten in der Schule verlor er etliche Kilogramm Gewicht. Vor Unterrichtsbesuchen hatte er schlaflose Nächte, bereitete bis tief in die Nacht seine Stunden vor. „Teilweise bringt man den Stress mit nach Hause in die Familie“, erinnert er sich. Der Druck ist hoch. Wer nach zwei Jahren das zweite Staatsexamen nicht schafft, bekommt keine Stelle.
Gerade zu Beginn ist die Lehrerausbildung für Coenen eine krasse Umstellung. „Vorher war ich lange Zeit der, der geprüft hat - jetzt wurde ich überprüft.“ Es sei ein großer Unterschied, an der Universität zu lehren oder an der Schule jungen Menschen zu helfen, etwas zu lernen. Coenen hospitiert zu Beginn bei Kollegen. Er muss herausfinden, wie er sein Fachwissen herunterbrechen kann, um es den Schülern beizubringen.