SPD und Grüne kritisierten Entscheidung : Schulstart in NRW mit Unbekannten
Düsseldorf NRW öffnet ab Donnerstag die Schulen. „Fahrlässig“ finden das die Grünen. Die SPD schimpft über „Laschets Ego-Trip“. Schulministerin Gebauer (FDP) verteidigt das Vorgehen.
Trotz Bedenken von Oppositionsparteien sowie Schüler- und Lehrervereinigungen bleibt es in Nordrhein-Westfalen bei der schrittweisen Öffnung der Schulen schon ab diesem Donnerstag. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verteidigte die Wiederaufnahme des Schulbetriebs für Prüflinge als „möglich und erlaubt“. Sie folge bei der Umsetzung einem Hygiene-Gutachten von drei Fachgesellschaften für die Landesregierung und Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, sagte Gebauer am Mittwoch im Schulausschuss des Landtags.
SPD und Grüne kritisierten die Entscheidung. Sie befürchten Gefahren für Schüler, Lehrer und deren Angehörige durch eine verfrühte Öffnung und sehen wesentliche Fragen zum Gesundheitsschutz unbeantwortet. Auch der Lehrerverband Bildung und Erziehung mahnte, die Rückkehr zur Normalität dürfe nicht durch Zeitdruck gefährdet werden. Die AfD mahnte hingegen einen Schulterschluss für eine Rückkehr zur Normalität an. Ihr Abgeordneter Helmut Seifen warf den anderen beiden Oppositionsfraktionen vor, bei Schülern Ängste zu schüren „bis zur Hysterie“.
Grüne: Keine Regelung für Lehrer mit kranken Angehörigen
Gebauer versicherte in der fast vierstündigen Debatte, Lehrer mit gesundheitlichen Gefährdungen seien vom Präsenzunterricht ausgeschlossen. Über 60-Jährige kämen dafür grundsätzlich nicht in Betracht. Allerdings können sie freiwillig tätig werden. SPD-Fraktionsvize Jochen Ott warf die Frage auf, inwieweit diese Regelung „sie moralisch unter Druck setzt“. Die Schulexpertin der Grünen, Sigrid Beer, kritisierte, dass es keine klare Regelung für Lehrkräfte und Schüler mit schwer kranken Angehörigen im Haushalt gebe – lediglich eine Freistellung vom Präsenzunterricht für Lehrer mit pflegebedürftigen Angehörigen mit Vorerkrankung. Schulstaatssekretär Mathias Richter (FDP) erwiderte, solche Einzelfälle seien nicht grundsätzlich, sondern nur im Zusammenwirken mit Ärzten und örtlichen Gesundheitsämtern zu entscheiden.
Schüler, die selbst zur Risikogruppe zählten, könnten sich durch eine schriftliche Mitteilung ihrer Eltern an die Schule vom Präsenzunterricht befreien lassen, erklärte Gebauer. Allerdings müssten sie unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen an Prüfungen teilnehmen. Den knapp 90 000 Abiturienten ist freigestellt, wieder zur Schule zu kommen. Für Schüler, die vor anderen Abschlussprüfungen stehen, gilt allerdings Schulpflicht. In den Klassenräumen müssen feste Sitzplätze namentlich vergeben werden, um Infektionsketten nachverfolgen zu können.
Die Landesregierung rechnet damit, dass zwischen 65 und 90 Prozent der Lehrer zur Verfügung stehen. Je nach Standort variierten die Quoten, sagte Richter. Da nur mit maximal zehn Prozent der 2,5 Millionen Schüler in NRW zu rechnen sei, sei die Öffnung machbar. NRW halte an dem Ziel fest, dass auch der Abschlussjahrgang 2020 mit einer ordentlichen Prüfung die Schule verlasse, bekräftigte der Staatssekretär. Auf Abschlussprüfungen zu verzichten, wie von Teilen der Schülerschaft gefordert, bringe für NRW-Absolventen ein Anerkennungsproblem in anderen Bundesländern. Das Aktionsbündnis „Schulboykott NRW“ will sich dagegen am Donnerstag vor der Staatskanzlei zu einer zweiten kleinen Kundgebung in dieser Woche treffen. Die Aktivisten fordern, das Abitur 2020 nach Durchschnittsnoten zu vergeben.