Sarah Philipp: „Bin bereit, mehr Verantwortung in der SPD zu übernehmen“

Wenn Amtsinhaber Norbert Römer (SPD) im Frühjahr seinen Platz räumt, trauen manche Sarah Philipp den Sprung an die Spitze der Fraktion im Düsseldorfer Landtag zu. Im WZ-Interview spricht sie über ihre Ambitionen in Fraktion und Partei, den Schmerz der Wahlniederlage und warum sie sich eine Steuerdebatte wünscht.

 Sarah Philipp, 34, NRW-Landtagsabgeordnete für die SPD aus Duisburg.

Sarah Philipp, 34, NRW-Landtagsabgeordnete für die SPD aus Duisburg.

Foto: Lepke, Sergej (SL)

Düsseldorf. Sie ist 34 und gilt als Hoffnungsträgerin: Sarah Philipp, SPD-Landtagsabgeordnete aus Duisburg. Wenn Amtsinhaber Norbert Römer im Frühjahr seinen Platz räumt, trauen ihr manche den Sprung an die Spitze der Fraktion im Düsseldorfer Landtag zu.

Frau Philipp, Sie haben von allen acht stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden die meisten Stimmen bekommen. Ist das nicht eine perfekte Vorlage, um den SPD-Fraktionsvorsitz anzustreben?

Sarah Philipp: Ich bin noch nicht so lange dabei. Vielleicht habe ich auch deshalb das beste Ergebnis bekommen, weil ich noch keinem hier so richtig auf die Füße getreten bin.

Sind Sie bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen?

Philipp: Ja, das bin ich. Aber ich würde das nicht nur auf den Fraktionsvorsitz beziehen. Mike Groschek hat gesagt, 2018 wird für die NRW-SPD das Jahr der personellen Erneuerung. Ich bin noch nicht im Landesvorstand der Partei und könnte mir vorstellen, dort einzusteigen. Ich kandidiere außerdem im April als stellvertretende Parteivorsitzende in Duisburg. Und Duisburg ist kein kleiner Unterbezirk.

Schließen Sie aus, ins Rennen um den Fraktionsvorsitz zu gehen?

Philipp: Ich freue mich, dass mein Name jetzt häufiger in der Zeitung steht. Es gibt offenbar Leute, die mir das zutrauen. Alles andere wird man im April sehen, wenn die Fraktion über ihre neue Führung abstimmt.

Sie trauen sich das Amt also zu?

Philipp: Ich lasse mich jedenfalls nicht abschrecken mit der Argumentation, Du bist noch zu jung, Du bist zu unerfahren. Ich bin 20 Jahre in der SPD und fünf Jahre in der Fraktion. Meine Erfahrung mit neuen Aufgaben ist: Ja, ich kriege das nach relativ kurzer Zeit ganz gut hin. Andererseits: Ich muss jetzt nicht alles machen, nur weil alle sagen, die SPD muss jünger und weiblicher werden.

Als mögliche Nachfolger von Römer werden auch Ihre Kollegen Martin Börschel und Marc Herter genannt, die anders als Sie eine neue Groko befürworten. Könnte dieser Unterschied den Ausschlag geben?

Philipp: Nein, ich glaube, das spielt keine Rolle. Das Thema wird in der Fraktion sehr kontrovers diskutiert. Und beide Positionen werden respektiert, auch deshalb, weil beide Seiten gute Argumente haben.

Was haben Sie aus der Wahlniederlage im Mai 2017 gelernt?

Philipp: Es schmerzt immer noch total, auch wenn es fast ein Jahr her ist. Wir waren sicher, das Land sieben Jahre gut regiert zu haben. Von den Fakten her stimmt das, aber das Bauchgefühl vieler Menschen war anders. Zum Beispiel beim Thema Innere Sicherheit. Ich habe auf einer Podiumsdiskussion von 2300 neuen Polizeistellen gesprochen und meine CDU-Gegenkandidatin erzählt, letzte Woche sei bei ihrer Mutter eingebrochen worden. Da hatte ich ganz schlechte Karten.

Haben Sie zu sehr auf Hannelore Kraft gesetzt?

Philipp: Absolut, wir haben uns darauf verlassen, dass Armin Laschet gegen unsere Ministerpräsidentin keine Chance haben würde. Alle haben gedacht: Die Hannelore macht das schon. Wir waren sicher, dass Laschet als wankelmütig und wenig verlässlich rüberkommt. Da haben wir uns völlig vertan.

In vielen deutschen Städten mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Ist der Staat nicht in der Pflicht, dafür zu sorgen, selbst wenn er dann neue Schulden machen muss?

Philipp: Wohnen gehört zu den am meisten unterschätzten Themen in der Politik, sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene. Hier steckt ein enormer sozialer Sprengstoff. Wir brauchen die ordnende Hand des Staates, weil der Markt in Ballungsräumen nicht genügend bezahlbaren Wohnraum bereitstellt. Der Staat steht dann in der Verantwortung, Geld in die Hand zu nehmen. Die Schwarze Null ist für mich nicht das oberste politische Ziel.

Ist ein höherer Spitzensteuersatz zwingend?

Philipp: Ja, das ist so. Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Land endlich eine Steuer- und Umverteilungsdebatte führen. Starke Schultern müssen auch mehr tragen.

Hat die SPD Defizite beim Thema Digitalisierung?

Philipp: Ich denke, dass alle Parteien hier Defizite haben. Millionen von Arbeitsplätzen sind bedroht, aber Digitalisierung bietet auch tolle Chancen. Wir müssen darüber reden, wie wir Umschulung und Weiterbildung organisieren. Und wir müssen uns auch die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens noch mal genau ansehen.

Ist Rot-Rot-Grün für Sie eine Option?

Philipp: Für mich im Moment nicht. Und die Mehrheiten geben das auch nicht her.

Wie kann die Erneuerung der SPD aussehen?

Philipp: Es geht um Personen, Strukturen und Inhalte. Wir haben zu lange gewartet und müssen jetzt alles gleichzeitig machen. Der Ortsverein wird auch morgen für die SPD noch ganz wichtig sein, aber gerade die jungen Mitglieder finden das nicht immer attraktiv. Wir müssen neue Angebote finden.

Will Groschek Chef der NRW-SPD bleiben?

Philipp: Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Ich fände es gut, wenn er über den Parteitag im September hinaus an der Spitze bliebe, weil er die Notwendigkeit zur Erneuerung der Partei verstanden hat. Er ist zwar 61, aber an vielen Stellen weiter als ein 35-Jähriger.

Partei- und Fraktionsvorsitz also nicht in einer Hand?

Philipp: Ich halte sehr viel davon, und zwar aus tiefster Überzeugung, dass man Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Wir haben genug gute Leute.

Könnte Sarah Philipp Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl 2022 werden?

Philipp: Das ist mir viel zu weit weg, um darüber zu reden.

Haben Sie einen privaten Lebensentwurf?

Philipp: Ich habe keine langfristige Lebensplanung. Aber Politik und die Arbeit im Landtag überstrahlen nicht alles. Ich mag auch mein Leben außerhalb dieses Gebäudes.

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