Rote Linie gegen Braunkohle - Klimaschützer machen vor Wahl mobil
Die Energiewende spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle. Dabei ist die Zukunft der Kohle heiß umkämpft und entscheidet mit darüber, ob Deutschland beim Klimaschutz Vorreiter bleibt. Am Wochenende ging es im rheinischen Kohle-Revier hoch her.
Köln/Berlin. Besetzte Gleise, Menschen in weißen Schutzanzügen, eine überdimensionale rote Linie, jede Menge Polizei und rauchende Schlote: Einen Monat vor der Bundestagswahl haben Umweltaktivisten im Rheinland gegen den Abbau und die Verfeuerung von Braunkohle demonstriert. Ihre Botschaft an die Politiker: Sofort raus aus der Kohle, dem Klima zuliebe.
Das Wochenende lieferte teils Bilder, wie man sie jahrelang von der Anti-Atom-Bewegung aus dem niedersächsischen Wendland kannte. Vereinzelt gab es bei den Anti-Kohle-Aktionen Rangeleien mit der Polizei. Zeitweise musste der Energiekonzern RWE die Leistung seines größten Kohle-Kraftwerks in Neurath drosseln. Aktivisten blockierten Gleise für den Nachschub.
Nicht weit entfernt fassten sich am Tagebau Hambach meist rot angezogene Klimaschützer an den Händen. So bildeten rund 3000 Menschen (wie die Veranstalter zählten) eine Menschenkette, eine symbolische „rote Linie“ gegen die weitere Abholzung eines uralten Waldstücks zwischen Aachen, Mönchengladbach und Köln für den Kohle-Abbau.
Auch die Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt machten bei der roten Linie mit - er im hellblauen Hemd, sie in orangefarbener Bluse. Ein Kohle-Ausstieg bis 2030, die rasche Abschaltung der schmutzigsten Kraftwerke sind Kernforderungen der Grünen - und könnten bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit Beteiligung der Grünen eine wichtige Rolle spielen.
Wie beim Atom-Ausstieg schaut das Ausland genau hin, ob Europas größte Volkswirtschaft den Spagat zwischen Klimaschutz und Industrie weiter hinbekommt, oder auf die Nase fällt. Etwa eine Autostunde von den Demos im Rheinland entfernt treffen sich im November in Bonn Diplomaten aus aller Welt, um den Kampf gegen die menschengemachte Erderwärmung voranzubringen. Seit das Pariser Klimaabkommen steht, geht es auf den UN-Klimakonferenzen um Details der Umsetzung. Deutschland gilt in dieser Runde als vorbildlich - zu Unrecht, finden deutsche Aktivisten. Und verweisen unter anderem auf die Braunkohle.
Neben der Steinkohle (17 Prozent) kommen noch immer rund 23 Prozent des deutschen Stroms aus Braunkohle. In den Revieren Rheinland, Lausitz, Mitteldeutschland und Helmstedt hängen insgesamt rund 20 000 Jobs an der Kohle. Und die Verpflichtungen Deutschlands beim Klimaschutz, zu denen sich alle Parteien außer der AfD bekennen, sind klar: Bis Mitte des Jahrhunderts muss weitgehend Schluss sein mit der Verbrennung fossiler Energieträger.