Nach Lüge im Lebenslauf Petra Hinz hat ihr Mandat bei einem Notar niedergelegt

Schreiben ist auf dem Weg nach Berlin. Ihr Parteibuch gibt die Genossin am 5. September zurück.

 Die Essener Bundestagsabgeordnete Petra Hinz tritt am 5. September aus der SPD aus.

Die Essener Bundestagsabgeordnete Petra Hinz tritt am 5. September aus der SPD aus.

Foto: Petra Hinz

Essen. Petra Hinz hat Nägel mit Köpfen gemacht — und damit den Weg frei für einen Nachrücker auf ihren Berliner Abgeordnetensitz und vielleicht für neuen Frieden in einer gespaltenen SPD. Die umstrittene Bundestagsabgeordnete hat ihr Mandat zum 31. August niedergelegt. Bei einem Notar in der Nähe der Klinik, in der sich die 54-Jährige derzeit behandeln lässt. Das Papier ist auf dem Postwege zum Berliner Büro des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Auch ihre SPD-Fraktion in Berlin sowie der Essener Unterbezirk, für den Hinz seit 2005 im Parlament sitzt, sind informiert. Den Austritt aus der SPD hat die Essenerin für Montag, 5. September, geplant.

Hinz sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich brauche dringend Ruhe, habe alle geforderten Konsequenzen gezogen. Es reicht.“ Wenn Bundestagspräsident Lammert jetzt nach Paragraph 47 Absatz 1 Nr. 4 Bundeswahlgesetz entscheidet, dass er der Niederlegung des Mandats stattgeben möchte, kann Hinz’ designierter Nachrücker Jürgen Coße aus Neuenkirchen im Kreis Steinfurt die Nachfolge antreten.

Also nicht — wie von mehreren Zeitungen verkündet — Rechtsanwältin Bettina Bähr-Losse aus St. Augustin. Der 46-jährige Coße, SPD-Kreisvorsitzender und stellvertretender Landrat, ist der Nächste auf der NRW-Liste. Bähr-Losse käme erst dann zum Zuge, wenn der ehemalige Bundesfinanzminister und NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück wie angekündigt sein Mandat zum 30. September niederlegt, um sich künftig neuen Aufgaben in der Helmut-Schmidt-Stiftung zu widmen.

Petra Hinz wartet mit dem Parteiaustritt bewusst, bis das Mandat übergeben wurde. „Schweren Herzens“, wie sie ausführt. Aber für sie ohne Alternative, denn: „Es muss weitergehen, vor allem in Essen. Ich habe der Partei geschadet, die jetzige Führungsmannschaft um Thomas Kutschaty macht fleißig weiter damit, das muss aufhören.“ Ihrer Bundestagsfraktion dankt Petra Hinz ausdrücklich für die Zusammenarbeit.

Würde Hinz ihr Parteibuch abgeben, bevor ihre Mandatsniederlegung von Lammert bestätigt wird, nähme sie ihren Sitz im Bundestag zunächst mit und er wäre somit für die SPD verloren. Laut Wahlordnung verleiht das Wahlvolk der jeweiligen Person ein politisches Mandat, nicht der Partei, die sie vertritt.

Nach zwei Monaten der Morddrohungen und Anfeindungen hofft Hinz „inständig, dass ich mich jetzt auf meine Genesung konzentrieren darf. Ich habe gelogen und betrogen, das ist unentschuldbar, und ich gehe in großer Reue. Was aber seit Wochen an Lügen, Verleumdungen und Anschuldigungen über mir ausgekippt wird, nimmt mir die letzte Kraft. Ich könnte vieles davon mit Dokumenten wiederlegen, aber ich habe gesagt, was es zu sagen gibt.“

Hinz hatte in ihrem Lebenslauf als Berufsbezeichnung „Juristin“ angegeben, ohne allerdings jemals ihr Staatsexamen abgeschlossen zu haben. Kontrolliert hatte nie jemand. Nicht innerhalb der SPD und auch sonst nicht. Als der Journalist Pascal Hesse vom Essener Lokal-Magazin „Informer“ wohl aus Reihen der zerstrittenen Essener SPD einen Tipp bekam und nachhakte, flog die Lebenslüge auf.

Was folgte, war ein öffentliches Tribunal, dem Petra Hinz zunächst durch eine zögerliche Informationspolitik Raum gab und dem sie sich schließlich mit einem Exklusiv-Interview mit unserer Zeitung ausführlich stellte. In dem entschuldigt Hinz sich für ihre Lebenslüge, kündigt ihren kompletten Rückzug aus der Politik an und belastet NRW-Justizminister und SPD-Unterbezirkschef Essen Thomas Kutschaty schwer. „Er hat mich zum Abschuss freigegeben und sich nicht an den verabredeten Fahrplan gehalten“. Kutschaty wiederum bestreitet etwaige Absprachen mit Hinz: „Frau Hinz schildert den Ablauf unserer Gespräche falsch“, sagte er zu den Vorwürfen.

In der SPD Essen wird kontrovers diskutiert. Dokumente, die unserer Zeitung vorliegen, zeigen, dass der Umgang mit der gefallenen Petra Hinz an der Basis von einigen Genossen als wenig sozialdemokratisch wahrgenommen wird.

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