NRW-Justiz ermittelt wegen SS-Massaker von Oradur

Razzien bei sechs Tatverdächtigen.

Dortmund. Am 10. Juni 1944 gegen 14 Uhr umstellt das SS-Panzerregiment „Der Führer“ das Örtchen Oradour-sur-Glane in Westfrankreich, 22 Kilometer von Limoges entfernt. Alle Einwohner werden auf den Marktplatz getrieben, die Männer von den mehr als 450 Frauen und Kindern getrennt. Diese werden in die Dorfkirche gebracht, die Männer in Scheunen und Garagen. Dann beginnt das Morden. Niemand sollte überleben, der Ort ausgelöscht werden — so lautete der Befehl. Fast 70 Jahre später ermitteln Staatsanwälte in Dortmund nun wegen des Kriegsverbrechens, bei dem 642 Menschen starben, darunter auch Babys.

Sechs betagte Männer im Alter von 85 und 86 Jahren bekamen in den vergangenen Tagen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg unangemeldeten Besuch. Sie sollen als Angehörige der Waffen-SS-Einheit an dem grausamen Verbrechen beteiligt gewesen sein. Beihilfe zum Mord — so lautet der Tatvorwurf. Ihre Wohnungen wurden durchsucht. Tagebücher, Fotos aus dem Krieg und Dokumente aus der NS-Zeit sollten neue Anhaltspunkte auf das Kriegsverbrechen liefern.

Die Verdächtigen leben in Köln, bei Bielefeld, im Großraum Hannover, nahe Berlin und bei Darmstadt. Die aktuellen Ermittlungen kamen durch Hinweise aus der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen. Dort waren in DDR-Akten Spuren auf die damals 18 und 19 Jahre alten Männer entdeckt worden. Stasi- und Gerichtsakten hätten Informationen zu dem Fall enthalten, die bei den Ermittlungen in der Bundesrepublik vor der Wende nicht bekanntgewesen seien.

Die Beschuldigten bestreiten ihre Tatbeteiligung oder sind bereits nicht mehr vernehmungsfähig. Ein Erfolg sei die Razzia nicht gewesen, räumte Staatsanwalt Andreas Brendel ein, Leiter der Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen. Wesentliche Beweismittel habe man nicht entdeckt.

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