Verkehrssicherheit NRW-Innenministerium erstellt Lagebild zu Hochzeitskorsos

Düsseldorf · In drei Wochen wurden 100 Einsätze wegen Hochzeitskorsos in Nordrhein-Westfalen verzeichnet. Allerdings: Vorher wurden diese auch gar nicht gemeldet.

 Auch in Düsseldorf stoppte die Polizei am letzten Aprilwochenende Hochzeitskorsos.

Auch in Düsseldorf stoppte die Polizei am letzten Aprilwochenende Hochzeitskorsos.

Foto: Gerhard Berger

Seit Wochen sorgen Hochzeitskorsos in Nordrhein-Westfalen für Aufsehen, allein 27 Einsätze verzeichnete die Polizei am zurückliegenden Wochenende. Fraglich ist allerdings, ob die Feierkonvois tatsächlich eine neue Dimension erreichen oder nur verstärkt in den öffentlichen Fokus geraten. Das NRW-Innenministerium, heißt es auf Nachfrage dieser Zeitung, lässt sich die Einsätze erst seit drei Wochen melden. In dieser kurzen Zeit allerdings verzeichnete es rund 100.

Anlass für die erhöhte Aufmerksamkeit im Ministerium war die Blockade auf der A 3 bei Ratingen Ende März: Dort bremsten Autofahrer den Verkehr aus und nutzten die Autobahn wohl  für ein Fotoshooting. Seither geben die örtlichen Polizeibehörden jeden Einsatz, ob wegen Parkens in zweiter Reihe oder Schüssen und Straßenblockaden, weiter. „Wir haben keine Vergleichszahlen“, bestätigt ein Ministeriumssprecher. Man stelle lediglich fest, dass es Einsätze zwar im ganzen Land gebe, schwerpunktmäßig allerdings im Ruhrgebiet.

Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte bereits Mitte April angekündigt, konsequent gegen Beteiligte vorzugehen: „Wenn Hochzeitsgesellschaften sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen, werden die Toleranzgrenzen unserer Gesellschaft klar überschritten.“ Laut dem Ministeriumssprecher wurden bereits Führerscheine beschlagnahmt. Zudem weist er darauf hin, dass eine ernste Gefährdung des Verkehrs keine Ordnungswidrigkeit mehr sei, die mit einem Knöllchen geahndet wird: „Da sind wir im Strafgesetzbuch. Das kann eine richtig dicke Strafe nach sich ziehen.“ (siehe Info-Kasten „Strafandrohung“) Das Innenministerium erstelle jetzt ein Lagebild zu den Hochzeitskorsos, um festzustellen: „Wie groß ist das Phänomen und wie kann man dem begegnen.“

Bei der Polizei Duisburg kennt man es „eigentlich schon immer“, wie ein Sprecher auf Nachfrage erklärt. „Es nimmt derzeit zu – aber das mag der Witterung geschuldet sein.“ Für die Polizei sei es schwierig, die Konvois im Blick zu behalten: „Eine Hochzeitsfeier ist nicht anmeldepflichtig.“

Ramadan beginnt am Sonntag, dann gibt es keine Hochzeiten

Auch Caner Aver vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen vermag nicht zu beantworten, ob die Eskalation so vieler Korsos neu ist oder nur ihre besondere Wahrnehmung. Denn: „Die Sensibilität gegenüber solchen Hochzeitsfeiern ist gestiegen“, glaubt er. Gleichzeitig könne die derzeitige Aufmerksamkeit manche Hochzeitsgäste zum Nacheifern anstacheln. Generell würden die türkischen Hochzeitsgesellschaften sichtbarer und Autokorsos seien durchaus Teil der Tradition. Von dem aktuellen Ausufern indes wollten sich wohl auch viele Feiernde bewusst abgrenzen. „Es ist ein kontrovers diskutiertes Thema innerhalb der türkischstämmigen Community“, erklärt Aver.

Übrigens auch in der Türkei selbst, wo die Polizei ebenfalls rigoros gegen Verkehrsverstöße im Rahmen von Hochzeitskorsos vorgeht. „Straßenblockaden und Schüsse haben mit Tradition nichts zu tun“, stellt Experte Aver klar. „Das sind Randalierer.“ Zumindest wird es im kommenden Monat deutlich ruhiger werden: Am Sonntag, 5. Mai, beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan – und in dieser Zeit wird nicht geheiratet.

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