Norbert Röttgen: Der Herausforderer im ungewollten Härtetest

Norbert Röttgen möchte am Sonntag Ministerpräsident werden. Der CDU-Mann setzt auf die Kraft seiner Argumente.

Düsseldorf. Politik hat er von der Pike auf gelernt, er hat bereits als Pennäler in der Jungen Union Karriere gemacht, später ist er bei den Großen in der CDU durchgestartet. Dabei hat er viele hinter sich gelassen, es hat Norbert Röttgen weit nach oben getragen, fast bis auf den Gipfel der Macht.

Als „Muttis Klügster“ gehört er eindeutig zur kleinen Führungsreserve der CDU. Alle Schritte hat sich Röttgen auf seine Art erkämpft — in Gremien, auf Parteitagen, in Gesprächen, am Telefon. Nun steht er in der ersten Reihe, ist der Mann auf dem Plakat, will sich vom Wähler das Prädikat „Cheftauglich“ ausstellen lassen. Das ist sein schwierigster Auftrag.

Wahlkampf in Wuppertal: Begleitet von einem großen Tross an Journalisten steht natürlich zuerst die Fahrt in der Schwebebahn auf dem Programm. Die anderen Passagiere gucken verdutzt, als die Meute einfällt. Röttgen wird von seinen Begleitern umringt, ein Kontakt zum Bürger kommt nicht zustande. Dann raus und rein in die Fußgängerzone zum Johannes-Rau-Platz, da, wo das Rathaus steht.

Röttgen eilt mit schnellem Schritt, grüßt nach rechts und links, bleibt aber nicht stehen. Dann ist er am Ziel: Eine Gruppe von Jung-Unionisten empfängt ihn. Röttgen hält eine kurze Ansprache, attackiert vor allem die Finanzpolitik der rot-grünen Regierung, nennt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft „Schuldenkönigin“. Der Parteinachwuchs klatscht, die örtliche CDU-Prominenz posiert für Erinnerungsfotos mit dem Kandidaten. Der muss dann schnell weiter. Wahlkampf in einer Viertelstunde, ein Kandidat auf Durchreise. Das ist der Eindruck.

Das ist seine Schwachstelle, die Sache mit dem klaren Bekenntnis für NRW. Als er vor zwei Jahren nach dem Landesvorsitz in NRW griff, hatte er seine Karriere natürlich ganz anders geplant. Röttgen wollte damals Nachfolger vom abgewählten, aber in der Bundes-CDU lange Jahre sehr mächtigen Jürgen Rüttgers vor allem deshalb werden, weil er sich damit die größte Hausmacht in der Union außerhalb Bayerns sichern konnte — ein Drittel der Delegierten auf jedem CDU-Bundesparteitag.

Röttgen war damals schon sehr wichtig, als Bundesumweltminister. Er legte an Bedeutung noch zu, als in Japan die Erde bebte, ein Atomkraftwerk explodierte und Deutschland in der Folge die Energiewende beschloss.

Alles lief für Röttgen nach Plan — bis im März auf einmal die rot-grüne NRW-Minderheitsregierung im Parlament mit dem Haushalt scheiterte. Das hatte der versierte Taktiker nicht einkalkuliert, nun musste er ran.

Die bisher größte Herausforderung seines Lebens versucht er mit den Mitteln seiner Wahl zu bestreiten: Mit guten Argumenten wettert er gegen die Schuldenpolitik der Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Mit zuletzt allerdings dünner gewordenem Langmut verteidigt er seinen Verzicht auf die Zusage, auch als Oppositionschef nach Düsseldorf zu kommen.

Mit großem Fleiß hat er sich Zahlen und Fakten erarbeitet, in denen er die Versäumnisse der rot-grünen Landesregierung zu belegen sucht. Das alles belegt seinen funktionierenden Verstand. Die Herzen der Wähler erreicht er damit aber offenkundig weniger, denn im direkten Umfragevergleich liegt er deutlich hinter der Amtsinhaberin Kraft zurück.

Röttgen kämpft, manchmal wirkt er verbissen. Wenn er in den TV-Diskussionen mit den Augen rollt oder vor sich hin grummelt, ist die klare Botschaft: Ich weiß es eigentlich besser.

Das war in der Vergangenheit immer sein Vorteil. Doch nun stellt er sich den Wählern. Für Röttgen ist das eine neue Situation. Zuletzt wirkte er nicht so, als wäre sie ihm wirklich geheuer.

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