Neue Runde im Steuerstreit: NRW soll weitere Daten-CD gekauft haben

Die NRW-Steuerbehörden lassen nicht locker. Sie sollen erneut Daten deutscher Steuersünder aus der Schweiz gekauft haben. Bundesfinanzminister Schäuble bezweifelt den Wert dieser Daten und gerät selbst in die Kritik.

Düsseldorf/Berlin Die nordrhein-westfälischen Steuerbehörden sollen eine weitere Steuersünder-Datei einer großen Schweizer Bank erworben haben. Es handele sich um einen Datenträger mit Bankauszügen von deutschen Staatsbürgern, die ihr Geld in die Schweiz geschafft hätten, berichtete die „Bild“-Zeitung. Den Ankauf habe die Steuerfahndung Wuppertal in dieser Woche abgewickelt. Das nordrhein-westfälische Finanzministerium wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren.

„Es werden immer wieder Daten angeboten“, sagte Ministeriumssprecherin Ingrid Herden am Mittwoch. „Die zuständigen Stellen prüfen dann, ob die Daten werthaltig sind und entscheiden.“ Dazu seien sie schon von Amts wegen verpflichtet. Wenige Tage zuvor sollen Steuerfahnder Daten von rund 1000 Kunden der Schweizer Coutts-Bank gekauft haben. Seit Juni ermitteln deutsche Finanzämter zudem erneut gegen Credit-Suisse-Kunden. Dabei geht es diesmal um den Verdacht, Schwarzgeld in Schein-Lebensversicherungen auf den Bermudas versteckt zu haben.

„Im Moment gibt es immer mehr Angebote dieser Dateien aus der Schweiz“, zitiert die „Bild“-Zeitung einen Ermittler. Unter den Anbietern seien Kundenbetreuer der Geldinstitute, aber auch Hacker und „kleine Ganoven, die einen Freund bei der Bank haben“.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezweifelte in der „Rheinischen Post“ (Mittwoch) den Wert solcher Daten. „Man rechnet wohl damit, dass das Abkommen kommt und möchte nunmehr wie im Ausverkauf schnell die letzte Chance ergreifen, um noch Geld zu machen. Ob diese Dateien sehr werthaltig sind, da habe ich meine Zweifel.“ Das Bundesfinanzministerium betonte am Mittwoch, auch in den neuen Ankauf von Steuerdaten aus der Schweiz nicht eingebunden gewesen zu sein.

Unterstützung bekam NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) dagegen vom konservativen Deutschen Beamtenbund. Man begrüße dessen „klare Haltung“. Der Ankauf sei ein „spürbarer Beitrag zur Steuergerechtigkeit“ und setze damit den Kurs der schwarz-gelben Vorgängerregierung in NRW fort.

Der Versuch, die nordrhein-westfälischen Steuerfahnder mit Haftbefehlen einzuschüchtern, sei fehlgeschlagen, sagte Meinolf Guntermann, Vorsitzender des Beamtenbundes NRW. Die Schweizer Justiz hatte im Frühjahr gegen drei NRW-Beamte Haftbefehle erlassen, weil sie beim Datenankauf gegen Schweizer Recht verstoßen haben sollen.

Der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, kritisierte den Bundesfinanzminister. Er bezweifle dessen Behauptung, das Abkommen werde weitere Daten-Ankäufe verhindern, sagte Eigenthaler der Nachrichtenagentur dpa. „Der Wortlaut gibt etwas anderes her. Da steht nur, Deutschland werde sich nicht aktiv um den Erwerb bemühen“, sagte Eigenthaler. „Ein Verbot sieht anders aus. Uns werden die Daten ja angeboten, ohne dass wir uns aktiv bemühen. Wer wollte da wen täuschen?“

Nach Auffassung Eigenthalers wäre ein Verbot rechtlich kaum haltbar. „Was hält eigentlich die Justizministerin von einem solchen Beweismittel-Verwertungsverbot für Steuer-Straftaten?“ Eigenthaler kritisierte das Abkommen erneut scharf: „Damit würde die Schweiz zum sichersten Hafen der Welt für deutsche Steuerhinterzieher.“

Das Düsseldorfer Finanzministerium hält den Ankauf von Bankdaten mutmaßlicher Steuersünder trotz des Abkommens mit der Schweiz für zulässig. Deutschland verpflichte sich nur, sich nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten zu bemühen, hatte Staatssekretär Rüdiger Messal am Montag erklärt. Die NRW-Behörden hielten sich daran. „Sie selbst ergreifen keine Initiative zu Datenkäufen.“

Die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern mit Bezug zur Schweiz ist in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Monat deutlich gestiegen. Sie schnellte von unter 20 im Vormonat auf 93 zwischen Anfang Juni und Anfang Juli empor, berichtete das NRW-Finanzministerium in Düsseldorf. Der Anstieg könnte mit den jüngsten Ermittlungen der Steuerfahndung gegen Credit-Suisse-Kunden zusammenhängen. Anfang Juni hatten Finanzämter begonnen, diesen Kundenkreis anzuschreiben.

Seit dem Frühjahr 2010 seien in NRW insgesamt 6370 Selbstanzeigen mit Bezug zur Schweiz eingegangen. Bis zum vergangenen Herbst hatte NRW knapp 6000 Selbstanzeigen registriert und aufgrund dessen Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro erhalten. Zusätzlich hätten zwei Banken wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung insgesamt 200 Millionen Euro gezahlt.

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